Montag, 11. Februar 2013

Argumente und ... Gegenargumente (?)

Frau Dr. Salomon hat auf meine Kritik an ihrem Zeitungskommentar zum Thema Plagiate geantwortet (diese Kritik von mir steht in meinem letzten Blog-Beitrag: "Schlechte Dissertationen - und schlechte Leitartikel"). Sie hat mir dankenswerterweise gestattet, den Wortlaut ihrer diesbezüglichen Mail auch zu veröffentlichen. Ihre Nachricht lautet:

«Sagen wir so: We agree to disagree. Ich habe übrigens so viele Leserbriefe wie schon lange nicht mehr bekommen. 99 Prozent davon positiv. Mit freundlichen Grüßen!»

So knapp diese Mail auch sein mag – sie sagt eine ganze Menge über Journalismus, die Medien und deren Konsumenten hierzulande aus. Dies habe ich auch in meiner Antwort an Frau Dr. Salomon zum Ausdruck gebracht und ihr Folgendes geschrieben:

«Sehr geehrte Frau Dr. Salomon,

ich denke, ich habe nicht bloß eine andere Meinung geäußert, sondern diese auch mit handfesten Argumenten untermauert. "We agree to disagree" passt natürlich immer, es sagt aber nichts über die Substanz der unterschiedlichen Standpunkte aus.

Dass Sie sich dennoch über 99% Zustimmung für Ihren Artikel freuen, bestätigt eine schlimme Vermutung von mir:

Boulevard-Journalismus dient nicht der sachlichen Information und der Präsentation von Argumenten. Vielmehr orientiert er sich entweder daran, was die breite Masse hören bzw. lesen will, oder er setzt ihr das vor, was man ihr als Journalist/in (meist entsprechend der jeweiligen Blattlinie) ideologisch halt so "verkaufen" möchte. Die von Ihnen ins Treffen geführte überwältigende Zustimmung zu dem Artikel offenbart auf erschreckende Weise, wie einfach das jedenfalls bei den österreichischen Medien-konsumenten geht.

Darin ist auch das wahre Bildungsübel zu sehen: Die Leute sind nicht mehr imstande und wahrscheinlich auch gar nicht daran interessiert, etwas zu hinterfragen, sich mit etwas argumentativ auseinanderzusetzen und manipulative Vorgänge als solche zu erkennen. Wirtschaft, Politik und eben auch der Journalismus reiben sich angesichts dessen klarerweise genüsslich die Hände ("Generationen von nützlichen Maschinen [...] statt allseits entwickelter Bürger, die selbstständig denken" – siehe Martha C. Nussbaum: Nicht für den Profit, Seite 16).

Mit freundlichen Grüßen,
.....»

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PS:
Wie ich vorhin sah, hat heute auch Nikos Dimou in seinem Blog aus Anlass der jüngsten deutschen Plagiatsaffäre und des Rücktritts der Bildungsministerin Schavan einen Artikel veröffentlicht (Link zum Artikel [griechisch]).

Nicht alles, was er darin über den Umgang der Deutschen mit akademischen Titeln schreibt, findet meine Zustimmung (mehr dazu vielleicht einmal in einem eigenen Beitrag). Er sieht jedoch die in den Fällen Schavan und Guttenberg gezogenen Konsequenzen (Aberkennung des Doktorgrades und Rücktritt vom politischen Amt) als Zeichen dafür

«... πόσο μετράει σε μία προηγμένη χώρα η σωστή και τίμια επιστημονική εργασία. Και δεν μετράει μόνο μέχρι να πάρεις το "χαρτί" – αλλά και μετά.»
=
«... wie sehr in einem fortschrittlichen Land die ordentliche und ehrliche wissenschaftliche Arbeit zählt. Und sie zählt nicht nur, bis man das "Papier" bekommt – sondern auch danach."»
[deutsche Übersetzung von mir]

Und diese Auffassung Dimous hebt sich wohltuend davon ab, wie in Österreich jedenfalls der "Kurier" (als immerhin zweitgrößte Tageszeitung [bei Außerachtlassung der Gratisblätter]) und anscheinend ein beträchtlicher Teil seiner Leserschaft an das Thema herangeht.