Zu Haneke muss ich unbedingt noch etwas schreiben, bevor die Oscar-Verleihungen stattfinden:
Der
österreichische Rummel um Haneke (und natürlich ebenso jener um
Christoph Waltz) nervt mich. Nicht, weil ich Haneke bzw. seine Filme
schlecht finden würde – eigentlich ist es genau umgekehrt: Gerade weil
ich Haneke außerordentlich schätze, finde ich diesen Begeisterungszirkus
so lächerlich. Mal ist ein Schifahrer mit einer Medaille der "Held der
Nation", dann ein Schwimmer mit einem Welt- oder Europarekord, das
nächste Mal ein Hitparadenstürmer in Deutschland, und jetzt eben ein
Regisseur, der es bereits zu Preisen in Cannes gebracht hat und es jetzt
vielleicht sogar noch zum Oscar schafft.
Ob Sport,
Musik, Film usw. – alles wird über einen Kamm geschoren; mit zwei
banalen Kriterien: Er/Sie ist Österreicher/in, und er/sie hat
internationale Beachtung gefunden.
So gut wie niemand von denen,
die Haneke jetzt (medial oder sonstwie) zujubeln, macht das aus
Kennerschaft und Wertschätzung gegenüber seinem Werk, sondern (nur
deshalb,) weil er es sozusagen in die Nähe eines Oscars geschafft hat
(wie auch schon 2010 mit seinem Film "Das weiße Band"). Die
Auszeichnung, der Preis (bzw. die Nähe zum Preis) zählt für die
Jubel-Banausen, nicht die Substanz – also (in diesem Fall) die Filme.
Dass diese Einschätzung zutrifft, lässt sich auch klar untermauern:
Haneke
hatte zunächst einige Fernsehfilme gemacht; 1989 kam sein erster
Kinofilm ("Der siebente Kontinent"). Wer hat sich für diesen Film (den
ich persönlich für den besten Haneke-Film halte) bzw. für die früheren
Fernsehstreifen jemals interessiert (von Cineasten natürlich abgesehen)?
Die gleiche Frage kann man sich für "Benny's Video" aus 1992 und ebenso
für weitere Haneke-Filme stellen. Ich kann mich erinnern, wie ich (so
schätzungsweise Mitte oder Ende der 1990-er-Jahre) verzweifelt nach
einer (kommerziellen) Video-Kassette mit dem "Siebenten Kontinent" bzw.
mit anderen Werken von ihm gesucht habe. Es war nichts am Markt. (Ich
glaube, den "Siebenten Kontinent" gab es zwar auf Video, aber er war
längst vergriffen). Meine Kenntnis der Haneke-Filme beruhte auf ihren –
klarerweise höchst seltenen – Ausstrahlungen im Fernsehen.
Mittlerweile
hat sich die Situation natürlich grundlegend geändert. Aber dass Haneke
heute in aller Munde ist und seine Filme in allen DVD-Regalen zu finden
sind, hängt eben nicht damit zusammen, dass man sich
tatsächlich so sehr für sein Werk interessieren würde – dafür wäre schon
all die vielen Jahre zuvor Zeit gewesen. Die Preise sind es; die
internationale Beachtung, die seine Filme finden; der Glamour von
Cannes, von Goldenen Palmen und von Oscars – das alles hat Haneke
bekanntgemacht und die mediale Haneke-Maschinerie in Gang gesetzt.
Natürlich ist es erfreulich, dass damit seine Filme (eben zurück bis zum
"Siebenten Kontinent") endlich auch auf DVD verfügbar wurden. Aber
dennoch darf man nicht vergessen, wie der mediale Aufstieg zum
"Starregisseur" und zu "Meisterfilmen" zustandekommt:
Wenn eine
Jury in Cannes oder Los Angeles auf den Filmemacher aufmerksam wird,
dann gehört er automatisch zu den "Großen". Und je mehr Preise es
werden, desto außerordentlicher das Genie des Regisseurs und die
Qualität seiner Filme. Wäre diese Art von (glamouröser) Anerkennung
ausgeblieben, so wären Haneke und sein Werk (trotz identischer
inhaltlicher Qualität) hinsichtlich ihrer Wahrnehmung durch die
Öffentlichkeit wohl weiterhin im gleichen Dornröschenschlaf wie noch vor
15 oder 20 Jahren.