Samstag, 23. April 2016

Eigenverantwortung versus Verbot

Wieder einmal bringt ein Journalist des "Kurier" das beliebte Modewort "Eigenverantwortung" ins Spiel. Wahrscheinlich vergeht keine Woche, wo das nicht in dieser und ähnlichen Zeitungen an irgendeiner Stelle der Fall ist. Dennoch zahlt es sich aus, gerade diesmal (neuerlich) daran Kritik zu üben. Bereits in einem früheren Blog-Eintrag habe ich näher dargelegt, warum die hartnäckige Glorifizierung der Eigen- bzw. Selbstverantwortung verwerflich ist (siehe hier). Anlass war damals ein Artikel des famosen Guido Tartarotti, insbesondere sein Problem mit Verkehrsampeln.

Heute geht es um einen Beitrag seines Kollegen Andreas Schwarz im "Kurier" vom 20. April 2016. Unter dem Titel "Fröhliche Verbotswelt" erzählt uns Schwarz unter Anderem Folgendes (natürlich in dem krampfhaft launigen Stil, der für die nicht einmal halblustige Kolumne auf Seite 1/unten charakteristisch ist): 

"[…] Gerade diskutieren Experten ein Handyverbot für Fußgänger, konkret ein SMS-Schreib-und-Leseverbot beim Queren der Straße. Nur die Wiener Fußgänger­beauf­tragte (…) ist dagegen. Fußgänger seien ohnehin ver­pflichtet, Sichtkontakt mit anderen Verkehrs­teil­nehmern zu halten. – Ja, was ist das denn für eine antiquierte Sicht der Dinge? Eigen­verant­wortung?!? Diese Freiheit ist in unserer fröhlichen Pflichtund­verbots­welt nicht vorge­sehen – […]"

So weit das übliche dumme, zeitgeistige Geschwätz – in diesem Fall gesteigert dadurch, dass eine Verantwortung groteskerweise in eine "Freiheit" umgedeutet wird. Aber dieses Detail wäre einen eigenen Kommentar wert (und gleichzeitig auch schon wieder nicht).

Was den belanglosen Kolumnentext so reizvoll macht, ist die seltene Gelegenheit zur direkten Gegenüberstellung mit der Aussage eines Experten, der sich genau zum selben Thema geäußert hat. Konkret war es der Verkehrspsychologe Gregor Bartl in der Sendung "Heute Österreich" vom 19. April 2016 auf ORF 2. In Zusammenhang mit eben jenem geplanten Verbot für Fußgänger wurde er vom Moderator darauf angesprochen, dass laut Kritikern "Verbote nicht unbedingt immer zielführend sind"; welche anderen Maßnahmen es denn außerdem gebe, "hier das Bewusstsein zu schärfen". Bartls Antwort darauf war eindeutig: 

"Auch wenn es nicht sehr attraktiv klingt – ich halte dem entgegen, dass gerade im Straßenverkehr eigentlich nur Gesetze wirken. Aufklä­rungs­kampagnen sind eine gute Begleitung für Gesetze; aber bei vielen Studien, die ich kenne, muss ich zu dem Schluss kommen: Es ist selten bis verschwindend gering der Fall, dass andere als gesetzliche Maßnahmen im Straßenverkehr zu einer Unfallreduktion führen können."

Aber was bedeutet das schon für Herrn Schwarz! Die "Freiheit" der "Eigenverant­wortung" – allein darauf kommt es an.

Und wir werden mit dieser journalistischen Verantwortungslosigkeit Tag für Tag konfrontiert und manipuliert!