Samstag, 4. Februar 2017

Der Liberale und die Burka

Josef (Sepp) Schellhorn ist Nationalratsabgeordneter der politischen Partei "NEOS" und Eigen­tümer diverser Hotel- und Restaurantbetriebe mit unge­fähr 120 Beschäf­tigten.
(Details siehe etwa auf https://parlament.neos.eu/neos-personen/sepp-schellhorn-2/)

Er liefert ein besonders markantes Beispiel dafür, welche Niedertracht sich hinter (neo-)liberaler Gesinnung verbirgt:

Die Bundesregierung (SPÖ, ÖVP) sieht in ihrem jüngsten Arbeitsprogramm ein (insbesondere von Außenminister Sebastian Kurz forciertes) Verbot der Vollverschleierung von Frauen (mit Burka und ähnlichen Kleidungsstücken) in der Öffentlichkeit vor (und biedert sich damit der dumpfen, rechtslastig-autoritär-xenophoben Haltung eines Großteils der hiesigen Bevölkerung an).

Proteste gegen das geplante Verbot kommen von der Fremden­verkehrs­wirtschaft (!), weil sie fürchtet, dass damit Familien aus dem arabischen Raum als Gäste ausbleiben könnten!

Sepp Schellhorn meint etwa:

"Ich finde das [Anm.: das Verbot] im Ansatz völlig falsch, auch medien­politisch – es wird im Ausland darüber geschrieben."
[so zitiert in einem Artikel im "Kurier" vom 1. Februar 2017, Seite 15, wo es weiter heißt, dass Schellhorn "fest mit Rückgängen bei den arabischen Gästen rechnet, falls das Verbot kommt".]

bzw. in etwas anderer Formulierung wiedergegeben (in der Sache gleich):

"Kommt das Verbot, wäre das ein fatales Signal, zumal internationale Medien negativ berichten würden."
[Zitat in "HGV Praxis, Zeitschrift für österreichische Hotellerie, Gastronomie und Großverpflegung", in einem Artikel vom 1. Februar 2017 mit der Überschrift: "Burkaverbot: Touristiker steigen auf die Barrikaden", http://www.hotel-gv-praxis.at/de/content/inhalt/singleview/artikel/burkaverbot.html ]

Rechtspopulismus und Ökonomismus streiten über die Vormachtstellung in grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Belangen! Der Plan der Regierung und die Schellhorn-Reaktion darauf sind Anlass genug, um diesem ganzen abstoßenden Klüngel aus Politikern und Wirtschaftstreibenden mit tiefster Verachtung zu begegnen.

Es kommt aber noch schlimmer, wenn man all dem Erwähnten das gegenüberstellt, was ausgerechnet derselbe ominöse Herr Schellhorn rund zwei Monate zuvor laut Bericht in der "Kronen-Zeitung" vom 27. November 2016 zu dem Thema von sich gegeben hat. Damals veröffentlichte diese Zeitung (auf Seite 43) einen Artikel mit dem Titel "Zündstoff Burka-Verbot". Gegen Ende des Beitrags heißt es (Hervorhebung im Fettdruck von mir):

"Spannend die Frage: Wie schaut es mit Jobs für verschleierte Frauen aus? Im Arbeitsleben haben sich bereits Regeln etabliert. Neos-Abge­ord­neter Josef Schellhorn, selbst Hotelier: «Meine Mitarbeiter haben sich nach den Regeln in meinem Betrieb zu richten, das bedeutet auch einheitliche Kleidung.»"

Was man allein aus diesem einen Satz alles über die (Neo/s-)Liberalen lernen kann: Die Freiheit, von der sie ständig großmäulig herumreden, endet spätestens an der Tür zum Betrieb, in dem der Unternehmer nach Gutdünken schaltet und waltet: Es sind "seine" Mitarbeiter in "seinem" Betrieb (man beachte: alles und alle gehören ihm), die sich nach den dortigen "Regeln" "zu richten" haben. Welche Intensität an autoritärer Vereinnahmung und an Normierung alleine in diesem Satz! Und in der Sache geht es um einheitliche Kleidung – somit um eine Form der Ent-Indivi­duali­sierung, welche die Beschäftigten über sich ergehen lassen müssen, um für den "liberalen" Herrn Gastwirt und Hotelier arbeiten zu dürfen. (Finden die werten Gäste etwa nur dann den Weg zur Rezeption, wenn das Personal hinter dem Schalter durch Einheitskleidung uniformiert ist?)

Und jetzt kombinieren wir Schellhorns Äußerungen über Gäste einerseits bzw. Personal anderseits und ziehen daraus die Schlussfolgerungen über jene, die als Liberale, Neoliberale oder was sonst immer ihr Unwesen treiben:

"Liberal" sind sie immer dann, wenn es um wirtschaftliche und unterneh­merische Interessen geht. Da ist sogar Vollverschleierung akzeptiert – natürlich nicht etwa aus Gründen, die mit Religionsfreiheit, persönlicher Freiheit oder sonst irgendwie mit Toleranz zu tun hätten (und die durchaus wesentlich wären). Sondern weil über ein Verbot "internationale Medien negativ berichten würden" und das auf zahlungskräftige Gäste abschre­ckend wirken könnte.

Im betrieblichen Innenverhältnis hört es sich jedoch mit der (Schein-)Liberalität auf. Da wird gefälligst angezogen, was der Chef vorschreibt. Es kommt dann – je nach Ort und Publikum – bei den weiblichen Bediensteten vom rustikalen Dirndl bis zum kessen Minirock wohl alles Mögliche in Frage. Und wer weiß? Wenn in Herrn Schellhorns Betrieben (trotz all seiner Befürchtungen) die Zahl arabischer Gäste immer weiter zunehmen sollte, wird für seine Bediensteten vielleicht eines Tages sogar Pflicht, was ihnen heute aufgrund der Regeln offenbar noch strikt untersagt ist: Dann müssen die Frauen vielleicht sogar Kopftuch bis Vollverschleierung tragen – und das männliche Personal mindestens einen Turban. ;-) (Arabisch sprechendes Personal gibt's laut oben erwähntem Kurier-Bericht ohnedies schon im österreichischen Tourismus.) Immerhin ist der Kunde König – und unternehmerische Profitgier in Kombination mit Anbiederung und Arschkriecherei bei jenen, die diesen Profit verschaffen, ist bekanntlich ziemlich hemmungslos.

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Diese Geschichte liefert eine schöne Erklärung, warum mir politisch klar rechts Positionierte immer noch lieber sind als (beispielsweise) sogenannte Liberale. Widerlich finde ich beide Gruppierungen. Aber bei den "echten Rechten" weiß man wenigstens auf Anhieb und unmissverständlich, mit wem man es zu tun hat. Um bei den Liberalen die wahre Gesinnung hinter ihrem permanenten verlogenen Gerede von Freiheit zweifelsfrei zu erkennen, bedarf es hingegen solch entlarvender Äußerungen wie denen Schellhorns.