Sie war in
einer Diskussion vor Jugendlichen im Haus der Europäischen Union in Wien
gefallen, und der Mitschnitt wurde in der ORF-Fernsehsendung "Report"
am 25. April 2017 wiedergegeben (auf Youtube ist er hier abrufbar: https://www.youtube.com/watch?v=FJ260SnjsWY).
Van der
Bellen meinte – und diese Worte halte ich für goldrichtig:
"Es
ist das Recht der Frau sich zu kleiden, wie auch immer sie möchte. Das ist
meine Meinung dazu. Im übrigen nicht nur muslimische Frauen; jede Frau kann ein
Kopftuch tragen. Und wenn das so weitergeht – und damit bin ich schon bei der
nächsten Frage, bei dieser tatsächlich um sich greifenden Islamophobie –, wird
noch der Tag kommen, wo wir alle Frauen bitten müssen, ein Kopftuch zu tragen.
Alle! Als Solidarität gegenüber jenen, die es aus religiösen Gründen
tun."
Das sind
für jeden unvoreingenommen und solidarisch denkenden Menschen eigentlich völlig
unspektakuläre, naheliegende, ja geradezu selbstverständliche Überlegungen. In
einem Land wie Österreich stellen sie hingegen einen Tabubruch dar, und sie lösten
erwartungsgemäß eine Welle der Kritik, des Unmuts und der Empörung aus.
Und auch
die nunmehrige Reaktion des Bundespräsidenten darauf ist leider typisch österreichisch:
Feigheit.
Es ist ja
schon bezeichnend, in welchen beiden "Qualitätszeitungen" Van der
Bellen seine völlig deplatzierte Reue zuerst zum Ausdruck brachte: in der
"Kronen-Zeitung" und in "Österreich". Hinzu kam der
"Kurier" (möglicherweise auch noch andere Blätter).
Van der
Bellen tourt als Büßer durch alle möglichen Zeitungen, und es ist ein armseliges
Schauspiel, das er dabei abliefert: Er windet sich, gesteht einerseits Fehler,
andererseits aber doch wiederum nicht; er deutelt an sich und an Situationen
herum, und er lässt zwei Qualitäten vermissen: Rückgrat und Courage.
Hier eine
Wiedergabe der einschlägigen Zitate, soweit sie mir zur Verfügung stehen:
1.
In der
Zeitung "Österreich" vom 5. Mai 2017 (Seite 7) meint Van der Bellen:
(online: http://www.oe24.at/oesterreich/politik/Van-der-Bellen-Kopftuch-Sager-war-ein-Fehler/281118840)
"Mir
ging es ungeachtet der missglückten Kommunikation, schlicht um Freiheitsrechte.
Jede erwachsene Frau hat das Recht, sich zu kleiden, wie sie will. Ich
verstehe, dass der Zwang zum Kopftuchtragen in anderen Ländern Frauen erzürnt,
aber die Antwort kann nicht sein, es zu verbieten.
[…] Das
stimmt sicher [Anm.: dass viele Frauen das Kopftuch nicht freiwillig
tragen]. Insbesondere junge Mädchen werden von ihren Vätern dazu genötigt. Dem
müssen wir mit Aufklärung entgegenwirken. Ich habe das alles ja bei einer
Diskussion mit Schülern und Schülerinnen gesagt. Da vergisst man, dass
mitgeschnitten wird. Da fühle ich mich im Hörsaal, verhalte mich ungezwungen
wie früher und sage Dinge, die man sonst so nicht sagt. Diese Schuld nehme ich
auf mich. Ich muss mir wohl stärker bewusst sein, dass der Hörsaal eine Sache
ist, und das Amt des Bundespräsidenten eine andere."
Und dann
meint er auf die Frage der Zeitung: "Wenn Sie in der Sache dabei bleiben –
war es ein Fehler?":
"Ja,
es war ein Fehler. Es ist dadurch etwas entfesselt worden, was auch eine
gewisse Empörungskultur befördert hat."
2.
Was Van der
Bellen zur Kronen-Zeitung gesagt hat, liegt mir nur über deren Online-Ausgabe
vor. Dort steht das in einer konfusen Mischung aus Zitaten Van der Bellens (teils im Wortlaut, teils in indirekter Rede) mit wertenden Kommentaren des Zeitungsredakteurs (Claus Pándi). Es heißt unter Anderem (datiert mit 4. Mai 2017):
(Quelle: http://www.krone.at/oesterreich/vdb-war-mein-fehler-wenn-man-so-will-kopftuch-skandal-story-567682)
"«Hin und wieder wird man auch etwas sagen müssen, wo man im Moment viel
Kritik einsteckt. Aber auf Dauer wird vielleicht doch verstanden, was man
eigentlich sagen wollte.» Über diesen sprachlichen Umweg
versucht Bundespräsident Alexander Van der Bellen im Gespräch mit der «Krone» am Donnerstag eine Erklärung für
sein missverständliches, manche meinen eher verunglücktes Beispiel mit dem
Kopftuch und dem Davidstern in der NS-
Zeit zur heutigen Lage der Muslime. «Es war mein
Fehler, wenn man so will», sagt das Staatsoberhaupt."
[…]
Rückblickend, so gibt das Staatsoberhaupt zu verstehen, mag der Fehler mehr in der Formulierung gelegen sein, die aus dem Anlass gerissen einen falschen Eindruck erzeugt habe. […]"
[…]
Rückblickend, so gibt das Staatsoberhaupt zu verstehen, mag der Fehler mehr in der Formulierung gelegen sein, die aus dem Anlass gerissen einen falschen Eindruck erzeugt habe. […]"
3.
Im Kurier
vom 5. Mai 2017 (Seite 4) klingt es so:
(online:
"Wir haben in Österreich Religions-, Meinungs- und
Bekleidungsfreiheit. Das steht alles im Verfassungsrang, das war auch mein
wesentlicher Punkt bei dieser umstrittenen Aussage. Wenn Grund- und
Freiheitsrechte in Frage gestellt werden, ist es meine Aufgabe für diese
Grundrecht einzutreten.
[…] Das ist mir natürlich bewusst. [Anm.: nämlich, dass es in Ländern, wo das Tragen von Kopftüchern Pflicht ist, etwa in Saudi-Arabien, keine
Grund- und Freiheitsrechte gebe] Das kann aber für uns kein Grund sein, Frauen
zu nötigen, kein Kopftuch zu tragen.
[…]
Jede Frau kann zwar ein Kopftuch tragen. Aber in der
Diskussion, die in Bild und Ton mitgeschnitten wurde – was ich in der Hitze des
Gefechts nicht gemerkt habe und das war mein Fehler – ging es um etwas anderes."
Und dann auf die Frage des Interviewers: "War auch Ihre Aussage ein Fehler oder
nur, nicht bemerkt zu haben, dass eine Kamera und ein Tonband mitlaufen?":
"Der Fehler war, dass man anders redet, wenn man weiß,
dass mitgeschnitten wird und dass daraus ein Satz herausgepickt werden kann, um
einen Sturm der Entrüstung auszulösen. Ein Freund hat mir hinterher gesagt: Du
darfst eine Vorlesung im Hörsaal nicht mit einem Auftritt des Bundespräsidenten
verwechseln. Das kann schon sein, dass mir das passiert ist. Aber Kern der
Sache bleibt: Ich habe das alles zu einer Schülerin gesagt, die wegen ihres
Kopftuches angepöbelt wurde und sich Sorgen machte, wegen ihres Kopftuches am
Arbeitsplatz diskriminiert zu werden."
Wieder der Interviewer: "Die
größte Irritation hat ausgelöst, dass Ihr Sager beim besten Willen nicht als
ironisch gedeutet werden konnte. Sie haben das Tragen eines Kopftuchs zudem
mit dem Tragen eines Davidsternes im Dritten Reich verglichen. War das ein
Fehler?" Und darauf Van der Bellen:
"Es war ein Fehler, das so zu sagen. Mir ging es darum,
ein Beispiel für zivilen Widerstand gegen die Einschränkung von Grundrechten zu
finden. Aber das Beispiel des Judensterns hätte ich besser bleiben lassen
sollen. Solche Vergleiche sind unangebracht."
Um den letzten Punkt soll es nicht gehen. (Angeblich handelt
es sich um eine Bezugnahme Van der Bellens auf Dänemark zur Zeit der deutschen
Besatzung, wo sich die einheimische nicht-jüdische Bevölkerung aus Solidarität
mit den Juden einen Davidstern angeheftet haben soll.) Ein Originalmitschnitt
der betreffenden Äußerung des Bundespräsidenten scheint nicht zu existieren,
und schon deshalb ist es nicht möglich, sich mit ihr fundiert zu befassen.
Daher sei Van der Bellen zugestanden, dass in diesem konkreten Punkt sein
Eingeständnis eines Fehlers berechtigt ist.
Für alles Übrige gilt das hingegen nicht: Er hätte in den
diversen Interviews jeweils klipp und klar feststellen können (und sollen), dass er
nichts von dem zurückzunehmen hat, was er in der Diskussion mit den
Jugendlichen sagte (und als Mitschnitt vorliegt); dass er es also uneingeschränkt
aufrechterhält – und zwar sowohl
inhaltlich (in der Sache) als auch sprachlich-formulierungsmäßig. Statt dessen
kommt aber ein Eingeständnis vermeintlicher Fehler, "missglückter Kommunikation" und
dergleichen mehr, obwohl nicht der geringste Grund dafür besteht.
Der negative Eindruck über Van der Bellens völlig deplatzierte
Selbstkritik verstärkt sich noch, wenn man dem Glauben schenken darf, was Hans
Bürger (der Chef der Innenpolitik-Redaktion der "Zeit im Bild") in der
Nachrichtensendung "Zeit im Bild
1" vom 5. Mai 2017 über den Bundespräsidenten in Zusammenhang mit der
Kopftuch-Äußerung sagte:
"Er [Van der Bellen] ärgert sich selbst am meisten,
hört man aus seiner Umgebung. Er hofft, dass ihm so etwas nie wieder passiert.
Er hat den Fehler auch zugegeben, […]"
Fazit:
Angst vor der eigenen Courage, keine Standhaftigkeit,
kleinkariert, konfliktscheu.
Insofern ein Bundespräsident, der gut zu Österreich
passt: Er repräsentiert damit charakteristische Untugenden
eines Großteils der Bevölkerung.
Und wo ist auch nur eine einzige prominente Stimme in diesem
Land, welche die aufgezeichnete Äußerung Van der Bellens ausdrücklich befürwortet
hätte? Mir ist zumindest keine solche Stimme bekannt. Soweit es nicht ohnedies (massenhaft) Kritik an der Äußerung gibt, herrscht großes Schweigen.