Der
Leitartikel trägt die Überschrift "Politiker-Malus",
und im Untertitel befindet Salomon:
"Das Urteil gegen den Salzburger Bürgermeister ist zu
hart. Bei Politikern kennt die Justiz keine Gnade."
Im hier
interessierenden ersten Teil ihres Texts stellt Salomon dann folgende –
komplett verfehlte – Überlegungen an:
"Seit ein paar Jahren laufen Politiker Gefahr, für eine
falsche Entscheidung hinter Gitter zu landen. Auch dann, wenn klar ist, dass
sie sich nicht persönlich bereichert haben. Dass der Salzburger Bürgermeister
Schaden am Freitag nach 18 erfolgreichen Jahren Amtszeit wegen Beihilfe zur
Untreue zu drei Jahren Haft, davon ein Jahr unbedingt (nicht rechtskräftig)
verurteilt worden ist, ist nicht nachvollziehbar. Es ging ja nicht um einen
kriminellen Vorsatz, sondern um Finanzprodukte für das Stadt-Budget, die damals
von Linz über Niederösterreich bis Wien (Stichwort Franken-Kredite) als
lukrativ galten, aber von niemandem durchschaut wurden.
Dass Schaden die finanzielle Schieflage vor dem Gemeinderat
geheim hielt und die 'giftigen' Papiere 2007 ans Land weiterreichte (auch weil
man glaubte, dass es dort ein tolles Management für Derivate gab), war ein
politischer Fehler. Dafür müsste er zurücktreten oder abgewählt werden – aber
ein Jahr Gefängnis?
Auch Politiker anderer Couleurs erhielten ähnlich harte
Urteile: Kärntens ÖVP-Chef Martinz wurde zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt,
weil er Geld aus dem Hypo-Verkauf in die ÖVP (aber nie in die eigene Tasche)
umlenkte. […]"
[vollständiger Leitartikel im Internet hier abrufbar:
Die
Entscheidungsgründe, die zum Urteil gegen Heinz Schaden (und eine Reihe
weiterer Angeklagter) geführt haben, liegen mir nicht vor – und Frau Dr.
Salomon mit ziemlicher Sicherheit ebenso wenig. Anders als die
"seriöse" (?) Journalistin lasse ich mich daher auch nicht auf Fragen
zur Schuld oder Nichtschuld Schadens oder die Angemessenheit der Strafhöhe ein.
Gegenstand
der Erörterung sollen lediglich ein paar allgemeine juristische Fakten sein,
die Salomon schlichtweg ignoriert.
Das Delikt
der Untreue ist in § 153 Abs. 1 des Strafgesetzbuches (StGB) normiert:
"(1) Wer seine Befugnis, über
fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich
missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen schädigt, ist mit
Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen
zu bestrafen."
In Absatz 2 desselben Paragraphen wird der
Befugnismissbrauch definiert:
"(2) Seine Befugnis missbraucht, wer in unvertretbarer
Weise gegen solche Regeln verstößt, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich
Berechtigten dienen."
Absatz 3
bestimmt schließlich höhere Strafdrohungen (als Absatz 1) für den Fall höherer
Schadensbeträge:
"(3) Wer durch die Tat einen 5 000 Euro
übersteigenden Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren,
wer einen 300 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, mit
Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen."
Salomon
sind damit vor allem zwei gravierende Fehler vorzuwerfen:
•
Hartnäckig betont sie den Umstand, dass sich der Salzburger Bürgermeister
Schaden bzw. andere Politiker in ähnlichen Strafverfahren (wie eben der Kärntner
ÖVP-Politiker Josef Martinz) "nicht persönlich bereichert" bzw. Geld "nie in die eigene Tasche" umgelenkt hätten. Darauf kommt
es aber gar nicht an, um sich wegen Untreue (bzw. im Fall Schaden: Beihilfe zur
Untreue) strafbar zu machen.
Das
unterscheidet die Untreue von verschiedenen anderen Vermögensdelikten, wie etwa Diebstahl (§
127), Veruntreuung (§ 133) oder Betrug (§ 146). Überall dort ist der
"Vorsatz, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern",
Voraussetzung der Tatbestandserfüllung und damit der Strafbarkeit. Bei dem beispielsweise
in den Fällen Heinz Schaden oder Josef Martinz relevanten Delikt der Untreue
ist das hingegen nicht der Fall.
Dass es keine persönliche Bereicherung gegeben hat, könnte da allenfalls strafmildernd wirken. Insofern wäre bei wohlwollender Lesart von Salomons Text gerade noch zu akzeptieren, dass sie die über Heinz Schaden verhängte Strafe als "zu hart" qualifiziert. Sie geht aber darüber hinaus – und vermengt dabei in schluderhafter Manier die Dinge, wenn sie schreibt:
Dass es keine persönliche Bereicherung gegeben hat, könnte da allenfalls strafmildernd wirken. Insofern wäre bei wohlwollender Lesart von Salomons Text gerade noch zu akzeptieren, dass sie die über Heinz Schaden verhängte Strafe als "zu hart" qualifiziert. Sie geht aber darüber hinaus – und vermengt dabei in schluderhafter Manier die Dinge, wenn sie schreibt:
"…[Schadens Verhalten] war ein
politischer Fehler. Dafür müsste er zurücktreten oder abgewählt werden – aber
ein Jahr Gefängnis?"
Es geht Salomon also keineswegs nur um eine (ihres
Erachtens) zu hohe Strafe, sondern auch darum, dass jemand wie Schaden überhaupt
bestraft wird ("politischer
Fehler", der lediglich zu Rücktritt oder Abwahl führen sollte). Sie
maßt sich damit "aus der Ferne" (nämlich ohne den Fall näher zu
kennen und ohne über entsprechende juristische Kenntnisse zu verfügen) Folgendes an: ein (journalistisches) Urteil darüber, ob
Heinz Schaden den Tatbestand der (Beihilfe zur) Untreue verwirklicht hat;
und/oder ein Urteil über die Existenzberechtigung des Untreue-Delikts an sich.
Die erste Frage ist von den Gerichten (nunmehr von den Rechtsmittelinstanzen) zu klären; die zweite möge in juristischen Seminaren und Fachzeitschriften diskutiert werden. Eine Journalistin, der es erwiesenermaßen am einschlägigen Fachwissen sowie an der Kenntnis der Entscheidungsgrundlagen mangelt, sollte dazu besser schweigen. Macht sie das nicht, führt das nur zur eigenen Blamage und zur Irreführung der Leser/innen.
Die erste Frage ist von den Gerichten (nunmehr von den Rechtsmittelinstanzen) zu klären; die zweite möge in juristischen Seminaren und Fachzeitschriften diskutiert werden. Eine Journalistin, der es erwiesenermaßen am einschlägigen Fachwissen sowie an der Kenntnis der Entscheidungsgrundlagen mangelt, sollte dazu besser schweigen. Macht sie das nicht, führt das nur zur eigenen Blamage und zur Irreführung der Leser/innen.
• Das betrifft – und zwar in noch größerem Maße – ebenso den
zweiten wesentlichen Kritikpunkt: Frau Dr. ("phil." und eben nicht
"jur.") Salomons juristische Inkompetenz zeigt sich auch daran, dass
es ihren Worten zufolge im Salzburger Fall "nicht
um einen kriminellen Vorsatz" gegangen sei, "sondern um Finanzprodukte für das Stadt-Budget, die damals [...] als lukrativ
galten, aber von niemandem durchschaut wurden".
So, so – kein "krimineller
Vorsatz". Allein diese abstruse und absurde Wortschöpfung beweist,
welch substanzloser Mist uns vom Boulevard-Journalismus untergejubelt wird.
Es gibt keinen "kriminellen Vorsatz", Frau Dr. Salomon. Es gibt drei Formen (oder Ausprägungen) von Vorsatz, die alle in § 5 StGB definiert werden: den bedingten Vorsatz (Absatz 1, zweiter Halbsatz), Absichtlichkeit (Absatz 2) und Wissentlichkeit (Absatz 3).
Es gibt keinen "kriminellen Vorsatz", Frau Dr. Salomon. Es gibt drei Formen (oder Ausprägungen) von Vorsatz, die alle in § 5 StGB definiert werden: den bedingten Vorsatz (Absatz 1, zweiter Halbsatz), Absichtlichkeit (Absatz 2) und Wissentlichkeit (Absatz 3).
Bei der Untreue spielen komplizierterweise gleich zwei Vorsatzformen
eine Rolle (siehe obiges Zitat des Paragraphen):
Der Missbrauch der Befugnis muss wissentlich erfolgen; für
die durch den Missbrauch bewirkte Vermögensschädigung genügt hingegen der
"normale", nämlich der bedingte Vorsatz (das heißt: der Täter muss die
Vermögensschädigung ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden
haben).
Nochmals sei es gesagt: Ob Heinz Schaden (als Beitragstäter)
und seine Mitangeklagten diese Voraussetzungen erfüllt haben, ist von den
Gerichten zu klären und wird von mir hier nicht bewertet. Aber so viel steht
fest: Einen "kriminellen Vorsatz" Schadens zu bejahen oder zu
verneinen, ist unmöglich – weil der begrifflich jedenfalls im
österreichischen Strafrecht nicht existiert und auch nicht klar ist, was damit
gemeint sein sollte. Vermutlich wollte Salomon wieder nur auf die
fehlende persönliche Bereicherung des Politikers anspielen. (Doppelt und
dreifach hält besser, um den Leser/innen die eigenen Ansichten einzuschärfen.
Auch auf "18 erfolgreiche Jahre
Amtszeit" Schadens weist sie uns ja dezent hin, um den Politiker in
ein gutes Licht zu rücken.) Aber auf die persönliche Bereicherung kommt es beim konkreten Tatbestand
nicht an, wie ich oben ausführlich dargelegt habe.
"Lernen Sie Jus, Frau Chefredakteurin!", kann man
da in Abwandlung des berühmten Kreisky-Ausspruchs sagen – der übrigens bemerkenswerterweise
gleichfalls einem Journalisten galt. ;-)