Mittwoch, 2. August 2017

Lernen Sie Jus, Frau Chefredakteurin!

Und schon wieder stellt Frau Dr. Martina Salomon vom "Kurier" ihr Unwissen unter Beweis. In ihrem Leitartikel vom 31. Juli 2017 entdeckt sie erstaun­licher­weise ihr Herz für Politiker; nämlich dann, wenn diese tun (oder erfolglos zu tun versuchen), wofür diese Journalistin – entsprechend ihrer neoliberalen Gesinnung(slosigkeit) – ganz besondere Sympathien hegt: das Geschäftemachen bzw. das Geldscheffeln. Wenn bei dieser Aktivität gesetzliche Vorschriften oder auf ihnen beruhende Gerichtsurteile störend dazwischenfunken, dann ist das für Salomon Anlass zu Kritik – die aller­dings weitgehend einer juristischen Grundlage entbehrt.

Der Leitartikel trägt die Überschrift "Politiker-Malus", und im Untertitel befin­det Salomon:

"Das Urteil gegen den Salzburger Bürgermeister ist zu hart. Bei Politikern kennt die Justiz keine Gnade."

Im hier interessierenden ersten Teil ihres Texts stellt Salomon dann folgende – komplett verfehlte – Überlegungen an:

"Seit ein paar Jahren laufen Politiker Gefahr, für eine falsche Entscheidung hinter Gitter zu landen. Auch dann, wenn klar ist, dass sie sich nicht persönlich bereichert haben. Dass der Salzburger Bürgermeister Schaden am Freitag nach 18 erfolgreichen Jahren Amtszeit wegen Beihilfe zur Untreue zu drei Jahren Haft, davon ein Jahr unbedingt (nicht rechtskräftig) verurteilt worden ist, ist nicht nachvollziehbar. Es ging ja nicht um einen kriminellen Vorsatz, sondern um Finanzprodukte für das Stadt-Budget, die damals von Linz über Niederösterreich bis Wien (Stichwort Franken-Kredite) als lukrativ galten, aber von niemandem durchschaut wurden.

Dass Schaden die finanzielle Schieflage vor dem Gemeinderat geheim hielt und die 'giftigen' Papiere 2007 ans Land weiterreichte (auch weil man glaubte, dass es dort ein tolles Management für Derivate gab), war ein politischer Fehler. Dafür müsste er zurücktreten oder abgewählt werden – aber ein Jahr Gefängnis?

Auch Politiker anderer Couleurs erhielten ähnlich harte Urteile: Kärntens ÖVP-Chef Martinz wurde zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt, weil er Geld aus dem Hypo-Verkauf in die ÖVP (aber nie in die eigene Tasche) umlenkte. […]"

[vollständiger Leitartikel im Internet hier abrufbar:

Die Entscheidungsgründe, die zum Urteil gegen Heinz Schaden (und eine Reihe weiterer Angeklagter) geführt haben, liegen mir nicht vor – und Frau Dr. Salomon mit ziemlicher Sicherheit ebenso wenig. Anders als die "seriöse" (?) Journalistin lasse ich mich daher auch nicht auf Fragen zur Schuld oder Nichtschuld Schadens oder die Angemessenheit der Strafhöhe ein.

Gegenstand der Erörterung sollen lediglich ein paar allgemeine juristische Fakten sein, die Salomon schlichtweg ignoriert.

Das Delikt der Untreue ist in § 153 Abs. 1 des Strafgesetzbuches (StGB) normiert:

"(1) Wer seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen."

In Absatz 2 desselben Paragraphen wird der Befugnismissbrauch definiert:

"(2) Seine Befugnis missbraucht, wer in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstößt, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen."

Absatz 3 bestimmt schließlich höhere Strafdrohungen (als Absatz 1) für den Fall höherer Schadensbeträge:

"(3) Wer durch die Tat einen 5 000 Euro übersteigenden Schaden herbei­führt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, wer einen 300 000 Euro über­steigenden Schaden herbeiführt, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen."

Salomon sind damit vor allem zwei gravierende Fehler vorzuwerfen:

• Hartnäckig betont sie den Umstand, dass sich der Salzburger Bürger­meister Schaden bzw. andere Politiker in ähnlichen Strafverfahren (wie eben der Kärntner ÖVP-Politiker Josef Martinz) "nicht persönlich bereichert" bzw. Geld "nie in die eigene Tasche" umgelenkt hätten. Darauf kommt es aber gar nicht an, um sich wegen Untreue (bzw. im Fall Schaden: Beihilfe zur Untreue) strafbar zu machen.

Das unterscheidet die Untreue von verschiedenen anderen Vermögens­de­lik­ten, wie etwa Diebstahl (§ 127), Veruntreuung (§ 133) oder Betrug (§ 146). Überall dort ist der "Vorsatz, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern", Voraussetzung der Tatbestandserfüllung und damit der Straf­bar­keit. Bei dem beispielsweise in den Fällen Heinz Schaden oder Josef Martinz relevanten Delikt der Untreue ist das hingegen nicht der Fall. 

Dass es keine persönliche Bereicherung gegeben hat, könnte da allenfalls straf­mildernd wirken. Insofern wäre bei wohlwollender Lesart von Salomons Text gerade noch zu akzeptieren, dass sie die über Heinz Schaden ver­hängte Strafe als "zu hart" qualifiziert. Sie geht aber darüber hinaus – und vermengt dabei in schluderhafter Manier die Dinge, wenn sie schreibt:

"…[Schadens Verhalten] war ein politischer Fehler. Dafür müsste er zurück­treten oder abgewählt werden – aber ein Jahr Gefängnis?"

Es geht Salomon also keineswegs nur um eine (ihres Erachtens) zu hohe Strafe, sondern auch darum, dass jemand wie Schaden überhaupt bestraft wird ("politischer Fehler", der lediglich zu Rücktritt oder Abwahl führen sollte). Sie maßt sich damit "aus der Ferne" (nämlich ohne den Fall näher zu kennen und ohne über entsprechende juristische Kenntnisse zu verfügen) Folgendes an: ein (journalistisches) Urteil darüber, ob Heinz Schaden den Tatbestand der (Beihilfe zur) Untreue verwirklicht hat; und/oder ein Urteil über die Existenzberechtigung des Untreue-Delikts an sich.

Die erste Frage ist von den Gerichten (nunmehr von den Rechts­mittel­instanzen) zu klären; die zweite möge in juristischen Seminaren und Fach­zeitschriften diskutiert werden. Eine Journalistin, der es erwie­sener­maßen am einschlägi­gen Fachwissen sowie an der Kenntnis der Entschei­dungs­grundlagen mangelt, sollte dazu besser schweigen. Macht sie das nicht, führt das nur zur eigenen Blamage und zur Irreführung der Leser/innen.

• Das betrifft – und zwar in noch größerem Maße – ebenso den zweiten wesent­lichen Kritikpunkt: Frau Dr. ("phil." und eben nicht "jur.") Salomons juristische Inkompetenz zeigt sich auch daran, dass es ihren Worten zufolge im Salzburger Fall "nicht um einen kriminellen Vorsatz" gegangen sei, "sondern um Finanzprodukte für das Stadt-Budget, die damals [...] als lukrativ galten, aber von niemandem durchschaut wurden".

So, so – kein "krimineller Vorsatz". Allein diese abstruse und absurde Wort­­schöpfung beweist, welch substanzloser Mist uns vom Boulevard-Journalismus untergejubelt wird.

Es gibt keinen "kriminellen Vorsatz", Frau Dr. Salomon. Es gibt drei Formen (oder Ausprägungen) von Vorsatz, die alle in § 5 StGB definiert werden: den bedingten Vorsatz (Absatz 1, zweiter Halbsatz), Absichtlichkeit (Absatz 2) und Wissentlichkeit (Absatz 3).

Bei der Untreue spielen komplizierterweise gleich zwei Vorsatzformen eine Rolle (siehe obiges Zitat des Paragraphen):

Der Missbrauch der Befugnis muss wissentlich erfolgen; für die durch den Missbrauch bewirkte Vermögensschädigung genügt hingegen der "normale", nämlich der bedingte Vorsatz (das heißt: der Täter muss die Vermö­gens­schädigung ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden haben).

Nochmals sei es gesagt: Ob Heinz Schaden (als Beitragstäter) und seine Mitange­klagten diese Voraussetzungen erfüllt haben, ist von den Gerichten zu klären und wird von mir hier nicht bewertet. Aber so viel steht fest: Einen "kriminellen Vorsatz" Schadens zu bejahen oder zu verneinen, ist unmöglich – weil der begrifflich jedenfalls im österreichischen Strafrecht nicht existiert und auch nicht klar ist, was damit gemeint sein sollte. Vermutlich wollte Salomon wieder nur auf die fehlende persönliche Bereicherung des Poli­ti­kers anspielen. (Doppelt und dreifach hält besser, um den Leser/innen die eigenen Ansichten einzuschärfen. Auch auf "18 erfolgreiche Jahre Amts­zeit" Schadens weist sie uns ja dezent hin, um den Politiker in ein gutes Licht zu rücken.) Aber auf die persönliche Bereicherung kommt es beim konkreten Tatbestand nicht an, wie ich oben ausführlich dargelegt habe.

"Lernen Sie Jus, Frau Chefredakteurin!", kann man da in Abwandlung des berühmten Kreisky-Ausspruchs sagen – der übrigens bemerkenswerter­weise gleichfalls einem Journalisten galt. ;-)