Freitag, 22. Februar 2013

Haneke – der "Starregisseur"

Zu Haneke muss ich unbedingt noch etwas schreiben, bevor die Oscar-Verleihungen stattfinden:

Der österreichische Rummel um Haneke (und natürlich ebenso jener um Christoph Waltz) nervt mich. Nicht, weil ich Haneke bzw. seine Filme schlecht finden würde – eigentlich ist es genau umgekehrt: Gerade weil ich Haneke außerordentlich schätze, finde ich diesen Begeisterungszirkus so lächerlich. Mal ist ein Schifahrer mit einer Medaille der "Held der Nation", dann ein Schwimmer mit einem Welt- oder Europarekord, das nächste Mal ein Hitparadenstürmer in Deutschland, und jetzt eben ein Regisseur, der es bereits zu Preisen in Cannes gebracht hat und es jetzt vielleicht sogar noch zum Oscar schafft.

Ob Sport, Musik, Film usw. – alles wird über einen Kamm geschoren; mit zwei banalen Kriterien: Er/Sie ist Österreicher/in, und er/sie hat internationale Beachtung gefunden.

So gut wie niemand von denen, die Haneke jetzt (medial oder sonstwie) zujubeln, macht das aus Kennerschaft und Wertschätzung gegenüber seinem Werk, sondern (nur deshalb,) weil er es sozusagen in die Nähe eines Oscars geschafft hat (wie auch schon 2010 mit seinem Film "Das weiße Band"). Die Auszeichnung, der Preis (bzw. die Nähe zum Preis) zählt für die Jubel-Banausen, nicht die Substanz – also (in diesem Fall) die Filme.

Dass diese Einschätzung zutrifft, lässt sich auch klar untermauern:

Haneke hatte zunächst einige Fernsehfilme gemacht; 1989 kam sein erster Kinofilm ("Der siebente Kontinent"). Wer hat sich für diesen Film (den ich persönlich für den besten Haneke-Film halte) bzw. für die früheren Fernsehstreifen jemals interessiert (von Cineasten natürlich abgesehen)? Die gleiche Frage kann man sich für "Benny's Video" aus 1992 und ebenso für weitere Haneke-Filme stellen. Ich kann mich erinnern, wie ich (so schätzungsweise Mitte oder Ende der 1990-er-Jahre) verzweifelt nach einer (kommerziellen) Video-Kassette mit dem "Siebenten Kontinent" bzw. mit anderen Werken von ihm gesucht habe. Es war nichts am Markt. (Ich glaube, den "Siebenten Kontinent" gab es zwar auf Video, aber er war längst vergriffen). Meine Kenntnis der Haneke-Filme beruhte auf ihren – klarerweise höchst seltenen – Ausstrahlungen im Fernsehen.

Mittlerweile hat sich die Situation natürlich grundlegend geändert. Aber dass Haneke heute in aller Munde ist und seine Filme in allen DVD-Regalen zu finden sind, hängt eben nicht damit zusammen, dass man sich tatsächlich so sehr für sein Werk interessieren würde – dafür wäre schon all die vielen Jahre zuvor Zeit gewesen. Die Preise sind es; die internationale Beachtung, die seine Filme finden; der Glamour von Cannes, von Goldenen Palmen und von Oscars – das alles hat Haneke bekanntgemacht und die mediale Haneke-Maschinerie in Gang gesetzt. Natürlich ist es erfreulich, dass damit seine Filme (eben zurück bis zum "Siebenten Kontinent") endlich auch auf DVD verfügbar wurden. Aber dennoch darf man nicht vergessen, wie der mediale Aufstieg zum "Starregisseur" und zu "Meisterfilmen" zustande­kommt:

Wenn eine Jury in Cannes oder Los Angeles auf den Filmemacher aufmerk­sam wird, dann gehört er automatisch zu den "Großen". Und je mehr Preise es werden, desto außerordentlicher das Genie des Regisseurs und die Qualität seiner Filme. Wäre diese Art von (glamouröser) Anerkennung ausgeblieben, so wären Haneke und sein Werk (trotz identischer inhaltlicher Qualität) hinsichtlich ihrer Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit wohl weiterhin im gleichen Dornröschenschlaf wie noch vor 15 oder 20 Jahren.