Samstag, 31. Mai 2014

Die Guthaben der "kleinen Sparer"

Zur Abwechslung ließ man jetzt einmal Christine Klafl auf Seite 2 des "Kurier" schreiben – dort, wo sonst vorzugsweise Herr Brandstätter und Frau Salomon höchstpersönlich ihre neoliberalen Propagandatexte platzieren.

Frau Klafls Leitartikel vom Mittwoch (28. Mai 2014, "Goldene Himbeeren für Rot und Schwarz") gehört natürlich in genau die gleiche journalistische Kategorie und wäre insofern keinerlei Kommentar wert. Was aber bei der Lektüre des "Kurier" immer wieder verblüfft und empört, ist der Umstand, mit welcher Unverfrorenheit diese Zeitung ihre Leser/innen für blöd verkauft.

Konkret:

Kritisiert wird in dem Leitartikel unter anderem die als "skurrile Idee" bezeichnete Überlegung, die Kapitalertragsteuer "von 25 auf 30 Prozent oder mehr anzuheben". Frau Klafl vergießt dazu Krokodilstränen und meint:

"Klingt gut und findet sicher Applaus bei jenen, die den Großkapitalisten etwas wegnehmen wollen. Aber leider trifft das auch Hunderttausende kleine Sparer. Denn auch die müssten dann eine höhere Zinsensteuer berappen."

Dieses Schreckgespenst des staatlichen Zinsenklaus wird natürlich einzig und allein deshalb in den Raum gestellt, um Stimmung- und Panikmache unter den sogenannten "kleinen Sparern" zu betreiben.

Die Absichten der Redakteurin werden auch aus dem Untertitel des Leitartikels deutlich, der so lautet: 

"Auf Reiche hinhauen – das ist Steinzeitpolitik und trifft dabei auch die, die ganz wenig haben." 

(Schon allein dieser Satz spricht Bände über Ziele und Methoden des Journalismus in bürgerlich-kapitalistischen Medien.)

Wie Frau Klafl zweifellos wissen wird, gibt es das steuerrechtliche Phänomen der Freibeträge. Wenn es ihr nicht um Gehirnwäsche, sondern um seriöse Argumentation ginge, hätte sie also darlegen können (und müssen), dass eine Anhebung der Kapitalertragsteuer keineswegs zwangsläufig eine negative Auswirkung auf die "kleinen Sparer" hat – nämlich dann nicht, wenn gleichzeitig entsprechende Freibeträge (und/oder Staffelungen des Steuersatzes) eingeführt werden. (Zum Beispiel sind in Deutschland Kapitaleinkünfte bis zu einer Höhe von 801 Euro pro Person und Jahr steuerfrei gestellt.)

Und für derartige Entlastungs­maßnahmen der Kleinsparer (bei gleichzeitiger Anhebung der Steuer für die übrigen Kapitaleigner) könnte Klafl journalistisch ebenso laut und hartnäckig trommeln, wie sie und ihre Kolleg(inn)en das ja bei anderen Ideen auch tun, die ihnen ideologisch besser in den Kram passen ("Staat soll sparen", "Bürokratie muss abgebaut werden", "Menschen müssen länger arbeiten" usw.).

Sie könnte das machen, tut es aber klarerweise nicht. Denn es geht ihr ja in Wahrheit nicht im Geringsten um die Interessen der "kleinen Sparer" bzw. derer, "die ganz wenig haben". Es geht ihr einzig und allein um jene der Reichen (wie auch aus dem Rest ihres Artikels unmissverständlich klar wird). Und deren Interessen sind natürlich nur dann gewahrt, wenn es keine Anhebung der Kapitalertragsteuer gibt.

So werden die "kleinen Leute" gleichsam als nützliche Idioten argumentativ vereinnahmt und Besorgnisse um den Schutz ihrer Sparguthaben geheuchelt, um damit in Wahrheit die Anliegen einer ganz anderen Personengruppe zu forcieren.

Frau Klafl meint am Ende ihres Artikels zu der Idee einer Erhöhung der Kapital­ertragsteuer:

"Solche Vorschläge verdienen eine goldene Himbeere, quasi einen Anti-Oscar." 

Wenn sie schon so banale und plakative Bilder verwendet, sollte sie sich einmal fragen, ob diese Negativ-Auszeichnung nicht vielmehr ihr und zahlreichen ihrer Kolleg(inn)en beim "Kurier" gebührt.