Einer der regelmäßigen Kolumnenautoren im "Kurier" ist Niki Glattauer.
Themenschwerpunkt bei ihm sind Schule und Bildung. Abgehandelt wird das
aber nicht auf eine Art, die man gern als "nüchtern" bzw. "trocken"
(ab)qualifiziert – so etwas ist ja ein striktes Tabu in der
Spaßgesellschaft und den sie beliefernden Massenmedien. Nein, locker
muss es sein, humorvoll, unverkrampft – oder was halt die Medienmacher
darunter verstehen.
Glattauer ist nicht nur langjähriger Journalist, sondern auch Lehrer
(an einer Wiener Hauptschule) – und vor diesem Hintergrund sind Stil
(und häufige Inhaltsleere) seiner Kolumnentexte besonders ärgerlich.
Denn selbst wenn eine Zeitungsspalte kein Klassenzimmer ist – ein
gewisses Niveau in Form und Inhalt sollte man gerade bei einem aktiven
Pädagogen erwarten dürfen. Wie sollen junge Leute ihre oft (und auch von
Glattauer selbst!) beklagten Lese-, Schreib- und Ausdrucksschwächen
ablegen können, wenn ihnen sogar ihr eigener Lehrer in der Zeitung
permanent und bewusst einen sprachlichen Humbug vorsetzt?
Aber damit verkenne ich natürlich schon wieder total die Realität
von Medien und Gesellschaft. Es geht ja nicht um klare Sprache und
inhaltlich um ernsthafte Denkanstöße für die Leser/innen. Es geht um
das (lächerlicherweise immer so bezeichnete) "Augenzwinkern", mit dem
das Publikum von den Massenmedien bei Laune gehalten werden soll. Und
offenbar zu diesem Zweck hat der "Kurier" Niki Glattauer sozusagen als
Sprachkasperl engagiert.
Es ist daher auch sinnlos, Herrn
Glattauer (neuerlich) detailliert nachzuweisen, weshalb seine Kolumne –
nebst weitgehend fehlender inhaltlicher Substanz – in sprachlicher
Hinsicht Schund ist. (Einmal habe ich das schon in einer e-Mail an ihn
gemacht und somit meine Verpflichtung bereits erfüllt, etwas Behauptetes
auch mit Argumenten zu belegen.) Statt "Schund" könnte man auch "Trash"
sagen; und einen solchen zu produzieren, ist ja gerade – nebst
ideologischer Gehirnwäsche – die zweite große Funktion der
Boulevardmedien.
Obwohl das also nichts Anderes als ein Kampf
gegen Windmühlen ist, sei dennoch ein konkreter Kritikpunkt an einem
Kolumnentext Glattauers ins Treffen geführt:
Wie auch
Glattauer sicherlich weiß, soll man einem Fremden, der einem in
gebrochenem Deutsch nach dem Weg fragt, nicht so antworten: "Du gehen geradeaus bis zur Ampel, dann du rechts abbiegen. Im zweiten Haus ist Postamt."
Viele werden sich inzwischen wahrscheinlich schon daran halten und
zumindest versuchen, die Auskunft in grammatikalisch korrektem Deutsch
zu geben.
Umso mehr befremdet der Umstand, dass eines der von
Glattauer hartnäckig bevorzugten "Stilmittel" (welch hochtrabender
Ausdruck für diesen Schmarren) eine ganz ähnliche, offenbar von ihm
lustig gemeinte Infantilsprache ist.
In der klingt das dann folgendermaßen (Beispiele aus der Kolumne "Schule und Rest des Lebens" im Kurier vom 10. Juni 2014):
"Leider
ist es ja nicht so, dass dir die Morgenlektüre auf dem Weg zur Arbeit
automatisch den Tag versüßt. Fiel mir unlängst beim Blättern in der
U-Bahn-Gratisqualitätszeitung folgender Titel ins
gleitsichtbrillenunterstützte Auge: 'Studie: […]."
Mir
geht es nicht (primär) um das dämliche "gleitsichtbrillenunterstützte
Auge". (Es hat Glattauer sicherlich große Genugtuung verschafft, wieder
einmal eine pseudo-originelle, wenn auch für den Inhalt des Artikels
völlig belanglose Wortschöpfung in den Text eingebaut zu haben. Ein
Sprachkasperl halt – siehe oben.)
Ebenfalls geht es mir nicht
(primär) um das belämmerte Reden über sich selbst in der zweiten
Person, das Glattauer im Eingangssatz praktiziert und dann im weiteren
Verlauf seines Texts immer wieder einsetzt – wohl auch das als
"Stilmittel" gedacht ("dass dir die Morgenlektüre", "Da hebt es dich als Vater zweier Kleinkinder …", "Dafür drückt es dich …, wenn du dann liest …" usw.).
Übertroffen wird all dieser sprachliche Schwachsinn nämlich durch die Formulierung:
"Fiel mir unlängst beim Blättern […] folgender Titel ins […] Auge:"
"Werde ich Herrn Glattauer nun sagen", dass es richtig so heißen muss:
"Unlängst fiel mir beim Blättern […] folgender Titel ins […] Auge:"
Glattauer weiß das natürlich. Was veranlasst ihn also, dennoch die
Worte gleichsam in Kleinkindsprache umzustellen? Will er zeigen, wie
locker sein Schreibstil ist? Oder wie witzig er doch formulieren kann?
Oder dass man im Leben alles leicht, salopp und unbeschwert nehmen soll –
einschließlich der Kommunikation?
Was er da fabriziert, mag
ja einmal als Gag angehen – aber er macht es in seiner Kolumne zum
Dauerzustand. Allein in seinem Text vom 10. Juni bedient er sich des
abgestandenen Sprachkunststücks ein weiteres Mal. Gegen Ende des
dreispaltigen Gelabers heißt es (nach einem Zitat aus einer
Gratiszeitung):
"Fragst du dich als Vater potenziell hässlicher Kinder […] natürlich gleich selber, wo sie hin ist, die Watte der Welt."
Auf den sinnfreien Inhalt des Geschriebenen sei gar nicht
eingegangen. Auch nicht auf die neuerliche Verwendung des Dodel-Du, wo
der Autor eigentlich sich selbst meint. Hauptärgernis (weil den
Lesefluss störend) ist wieder die mutwillige, regelwidrige
Satzverstümmelung in Form des "Fragst du dich …".
Was spricht dagegen, eine korrekte Formulierung zu verwenden? Also:
"Da fragst du dich als Vater […] natürlich gleich selber, wo sie hin ist, die Watte der Welt."
(bzw. ganz exakt: "Wenn du so etwas [wie in der Gratiszeitung] liest, fragst du dich als Vater […]")
oder:
"Da fragt man sich als Vater […]"
oder:
"Da frage ich mich als Vater […]"
Es gäbe also sprachliche Möglichkeiten genug. Herrn Glattauers
Masche ist es aber, diese Optionen bewusst zu ignorieren und statt
dessen eine Variante zu erfinden, die nicht nur einem korrekten, sondern
auch – und vor allem – einem gut lesbaren Deutsch Hohn spricht. Es ist
nämlich insbesondere diese unnötige Lese-Erschwernis, die Glattauers
zahlreiche Sprachmätzchen so kritikwürdig macht. Und dazu kommt an
zweiter Stelle der schon oben erwähnte Umstand: Eine der
auflagenstärksten österreichischen Zeitungen geht der Bevölkerung
gleichsam mit schlechtem Beispiel voran, indem sie einen Lehrer als
Kolumnisten beschäftigt, der den Leser/innen regelmäßig (und mit voller
Absicht) eine verunstaltete und infantilisierte Sprache präsentiert.
Andererseits: Glattauer war der Erfinder des Dodel-Ausdrucks "Ötzi"
für die in den Ötztaler Alpen entdeckte, ca. 5000 Jahre alte
Gletschermumie. Und er ist auf diese Wortschöpfung auch noch stolz – wie
er (gleichfalls in seiner Kolumne) am 31. März dieses Jahres kundgetan
hat! Sich von einem solchen Sprachgenie in kleingeistiger Manier ein
korrektes und gutes Deutsch zu erwarten – das ist ja fast schon naiv von
mir.