Samstag, 17. Januar 2015

Klare und richtige Worte eines Kirchenmannes

Mit einem Geistlichen (egal, welcher Konfession er angehört) verbindet mich sicher nicht der Glaube und die Religion. Um so erstaunlicher (und erfreulicher) ist es, dass unter Umständen auch in diesem Personenkreis hinsichtlich bestimmter – und sogar sehr wesentlicher – Einzelfragen unverhofft ein Gleichgesinnter zu entdecken ist.

In der Gratiszeitung "Heute" vom 16. Jänner 2015 findet sich in der Kolumne "Antworten" (Seite 21) ein Artikel des Kardinals und Wiener Erzbischofs Christoph Schönborn mit der Überschrift "Welche Freiheit für 'Charlie Hebdo'?" Was er darin schreibt, deckt sich teilweise so sehr mit meiner eigenen Ansicht zum Thema, dass ich froh bin, meinen Standpunkt schon drei Tage zuvor dargelegt zu haben (siehe den Blogeintrag vom 13. Jänner). Andernfalls läge der Verdacht nahe, ich hätte einfach aus seiner Kolumne abgeschrieben. ;-)

Natürlich stellt Schönborn in seinem Kommentar das Selbstverständliche ebenfalls außer Frage:

"Nichts rechtfertigt die Gewalt gegen 'Charlie Hebdo'. Nichts rechtfertigt das Massaker an Juden in einem Pariser jüdischen Supermarkt."

Aber er spricht außerdem in vorbildlicher Klarheit das aus, was derzeit in der angeblich so "freien" westlichen Gesellschaft eine Art Tabu ist:


" 'Charlie Hebdo' scheute sich nicht, neben humorvollen und
satiri­schen Karikaturen politischer Art seit Jahren vor allem das Christen­tum und den Islam in verächtlich machenden und vulgären Karikaturen darzustellen. Wo ist die Grenze der drei genannten Freiheiten? [Anm.: Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit] Dort, wo es um die Achtung vor dem geht, was dem anderen heilig ist. Ich muss die Ansicht der anderen nicht teilen. Darf ich sie deshalb schon heruntermachen?

Unser Land hat eine traurige Geschichte von verhetzenden
Karika­turen. Ich denke an die hasserfüllten antisemitischen Karika­turen des späten 19. Jahrhunderts. Diese giftige Saat ist aufgegangen und hat zu den Massenmorden an den Juden beigetragen. Hätte es damals deutliche Schritte gegen diese Hetze gegeben, vielleicht wären viel Leid und schreckliche Schuld vermieden worden."

Es tut gut, so etwas zu lesen. Und es ist eine Schande (insbesondere) für den journalistischen "Mainstream" (Ausnahmen mag es ja vielleicht geben), dass von ihm nichts zu vernehmen ist, was auch nur im Entfernsten den Überlegungen Schönborns entsprechen würde.

Diese Überlegungen stammen zwar von jemandem, der damit in seiner Eigenschaft als katholischer Würdenträger naturgemäß auch Anliegen und Interessen "in eigener Sache" vertritt. Das ändert jedoch nichts daran, dass seine oben zitierten Gedanken in einer wahrhaft toleranten und vor allem zivilisierten und von Respekt geprägten Gesellschaft ein
selbstverständ­liches, konfessionsunabhängiges Allgemeingut sein sollten. Sie sind es leider nicht; vielmehr dominiert die gerade entgegengesetzte Denkweise des "Ich darf alles! Wer das anders sieht, will meine Freiheit und damit die demokratischen Werte verletzen."

Damit stellt die Gesellschaft (inklusive Medien und Politik) unter Beweis, wie sehr ihr arrogantes, aufgeblasenes Eigenlob hinsichtlich der drei genannten Qualitäten – Toleranz, Zivilisiertheit und Respekt – von der Realität Lügen gestraft wird.