Beim Kentern eines Flüchtlingsbootes im Mittelmeer sind vor einigen Tagen hunderte Menschen ums Leben gekommen.
Dr. Martina Salomon,
 die stellvertretende Chefredakteurin des "Kurier", reagiert darauf in 
ihrem Leitartikel vom 23. April 2015 genau so, wie es von ihr zu 
erwarten ist: eiskalt, gefühllos, menschenverachtend. 
Bereits 
als Titel des Leitartikels wählt Salomon die dümmste Parole, die in 
Zusammenhang mit dem Thema Flüchtlinge/Zuwanderung reflexartig von allen
 zu hören ist, die auf Denken, Gewissen und Menschlichkeit gerne 
verzichten (und das sind bekanntlich hierzulande nicht wenige):
"Europa kann nicht allen helfen"
Es
 geht zwar nie um "alle", wenn dieser dumme Ausspruch fällt, sondern 
immer um konkrete Einzelfälle bzw. Einzelschicksale – und für genau 
diese wäre von den Sprücheklopfern konkret zu belegen, warum man für sie
 angeblich nichts tun kann. Aber ein pauschales "Man kann nicht allen 
helfen" (bzw. "Wir können doch nicht alle aufnehmen") erspart natürlich 
die Mühe, sich mit dem jeweiligen Fall inhaltlich auseinanderzusetzen.
Ein
 Übriges tut die Pietätlosigkeit, die sich darin zeigt, eine solche 
Parole zur Überschrift eines Leitartikels zu machen, dessen Anlass 
Flüchtlinge sind, die bereits tot – nämlich vor wenigen Tagen im Meer 
ertrunken – sind. (Es ist ja dieses konkrete Bootsunglück, das derzeit 
allerorts Berichte, Diskussionen und eben auch Leitartikel auslöst.)
Im Text meint Salomon dann unter anderem: 
Von den Flüchtlingsbewegungen 
"profitieren zynische Schlepperorganisationen und 'Warlords'. Das Kentern von Flüchtlingsbooten ist deren zynisches Kalkül."
Und danach versteigt sie sich zu folgender eigenartiger Aussage:
"Leider werden die nun entsendeten Rettungsschiffe dem Millionengeschäft dieser Verbrecherbanden nutzen."
Inwiefern
 "nutzen"? Der kryptische Satz kann eigentlich nur so interpretiert 
werden: Die Rettung von Schiffbrüchigen animiere weitere Menschen zur 
Flucht übers Mittelmeer – bzw. die Schlepper dazu, ihre Tätigkeit 
fortzusetzen, weil die von ihnen nach Europa verschifften Flüchtlinge im
 Ernstfall ohnedies mit Hilfe rechnen könnten. Damit wird (von Salomon) 
gleichsam der Vor- und Nachteil der Rettung von Menschenleben abgewogen.
 Anders gesagt: die Notwendigkeit der Rettung von Menschenleben wird 
durch den (behaupteten) Umstand relativiert, dass solche Maßnahmen dem 
"Millionengeschäft" von "Verbrecherbanden" nützen würden (ob das 
tatsächlich überhaupt zutrifft, sei dahingestellt). Oder noch 
drastischer formuliert: Wer Menschen aus Lebensgefahr rettet, helfe 
damit "leider" dem Geschäft der Schlepper.
Wohin eine solche 
Sichtweise im nächsten Schritt führen kann, wird spätestens dann 
deutlich, wenn man Salomons gefühllose Kosten-Nutzen-Rechnung mit jener 
Frage in Beziehung setzt, die sie im Untertitel des Leitartikels stellt:
 "Wer legt den Schleppern das Handwerk?" 
Da ist es dann
 nämlich nicht mehr weit zu der Schlussfolgerung: "Lieber in Seenot 
geratene Flüchtlinge zur Abschreckung ertrinken lassen, als sie zu 
retten. Nur so kann man den Schleppern das Handwerk legen."
So 
explizit schreibt Salomon das natürlich nicht. Und wahrscheinlich würde 
sie auch entrüstet zurückweisen, derartige Überlegungen im Sinn zu 
haben. Mag ja sein … Und dennoch stellt sich die Frage: Was veranlasst 
ein Journalistin dazu, einen Satz wie jenen über die entsendeten 
Rettungsschiffe, die leider dem Geschäft der Schlepper nützen würden, zu
 denken, zu formulieren und in den Leitartikel zu schreiben? 
Eines
 zeigt sich damit jedenfalls: "Zynisches Kalkül" gibt es nicht nur bei 
"Verbrecherbanden" irgendwo im fernen Afrika, sondern auch bei ganz 
harmlos wirkenden Journalistinnen in österreichischen 
Boulevardzeitungen. 
Und dieses zynische Kalkül zieht sich durch 
den ganzen Leitartikel. Seine deutlichste Ausformulierung erreicht es in
 den zwei Schlusssätzen. Dort meint Salomon lapidar:
"Australien
 nimmt übrigens keine Flüchtlinge mehr aus Schlepperbooten auf. Das hat 
das Massensterben im Meer dort ab 2014 beendet."
Diese beiden Sätze wollen wir uns unter mehreren Aspekten etwas näher ansehen:
a)
Das Erste ist schlicht die menschliche Seite. Dazu braucht man eigentlich 
nicht viel zu sagen: "Aus den Augen, aus dem Sinn" ist Salomons 
kaltschnäuzige Logik. Die lästigen Eindringlinge sind wieder am offenen 
Meer bzw. in den Ländern, aus denen sie aufgebrochen sind. Damit ist die
 Sache für uns erledigt – und wir können auch noch scheinheilig 
behaupten, auf diese Weise Menschenleben gerettet zu haben.
b)
Dann gibt es einen handfesten rechtlichen Aspekt:
Jene
 Vorgangsweise, die Australien (laut Salomon) praktiziert, ist vom 
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bei 
Mittelmeer-Bootsflüchtlingen jedenfalls in Hinblick auf Libyen für 
rechtswidrig erklärt worden. Das entsprechende Urteil vom Februar 2012 
ist hier im Original nachzulesen (englisch):
Fall Hirsi Jamaa und andere gegen Italien 
bzw. hier in deutscher Übersetzung (als pdf-Datei zum Herunterladen):
deutsche Version, pdf
Eine
 kurze Erläuterung und Kommentierung der Urteils gibt es auf der 
Homepage von Amnesty International Schweiz. Dort heißt es auszugsweise (Quelle, aufgerufen am 29. April 2015):
"BeschwerdeführerInnen
 waren 24 Flüchtlinge aus Eritrea und Somalia, die im Mai 2009 von 
Libyen aus nach Italien aufgebrochen waren, auf hoher See von der 
italienischen Küstenwache aufgegriffen und nach Libyen zurückgebracht 
worden waren. Der EGMR hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, 
niemand dürfe der Folter oder unmenschlicher Strafe ausgesetzt werden.
Denise Graf, Asylrechtsexpertin bei Amnesty International, begrüsst das Urteil des EGMR: «Mit dem heutigen Urteil hat der
 Gerichtshof den Schutz von Flüchtlingen auf Hoher See entscheidend 
gestärkt. Die italienische Grenzpolizei durfte die Bootsflüchtlinge 
nicht nach Libyen zurückbringen, weil ihnen dort unmenschliche 
Behandlung und die Abschiebung in ihre Herkunftsländer Somalia und 
Eritrea drohten. Zudem hatten die Flüchtlinge keine Möglichkeit, 
Rechtsmittel einzulegen. Damit verstösst das italienische Vorgehen gegen
 die Europäische Menschenrechtskonvention. Amnesty International fordert
 die EU-Mitgliedsstaaten nach diesem Urteil auf, Schutzbedürftigen 
endlich sicheren Zugang nach Europa und Recht auf Asyl zu gewähren.»"
Mit
 anderen Worten: Was sich Australien erlaubt (und möglicherweise 
rechtlich auch erlauben darf?), ist (jedenfalls) zwischen der EU und 
Libyen (und von dort kommen ja derzeit offenbar die meisten 
Bootsflüchtlinge im Mittelmeer) ein Verstoß gegen die Menschenrechte! 
Das hindert freilich Salomon nicht an ihrem süffisant-zynischen Verweis 
auf die australischen Methoden.
(Nur nebenbei sei erwähnt: Erwartungsgemäß wäre es für Salomon auch "ein Fortschritt", wenn "(a)m
 afrikanischen Kontinent (…) sichere UNHCR-Anlaufstellen geschaffen 
werden, die den Schutzbedarf der Asylwerber vorab prüfen". Auch 
diese Form der "Lagerung" von Menschen, um sie nur ja nicht nach Europa 
zu bekommen, wäre jedoch menschenrechtlich – und in humanitärer Hinsicht
 sowieso – höchst fragwürdig.)
c)
Ein dritter Aspekt, unter 
dem das Australien-Faible Salomons, aber darüber hinaus ihr gesamter 
Leitartikel betrachtet werden sollte, ist der 
gesellschaftspolitisch-ideologische:
Was Salomon schreibt und denkt, entlarvt sie als Rechtspopulistin - oder
 exakter formuliert: als eine Journalistin, die genau jenes Gedankengut 
propagiert, das rechtspopulistische Politiker/innen bzw. einschlägige 
Gruppierungen verbreiten. Das wäre für sich genommen nicht weiter 
erwähnenswert (und ja auch nicht weiter verwunderlich). Die Sache wird 
jedoch dadurch pikant, dass die "Rechtspopulisten" (wie auch immer man 
diese definieren oder kategorisieren mag) in Kurier-Kommentaren so gerne
 als etwas dargestellt werden, zu dem man a) selbst nicht dazugehöre und
 das b) eine Gefahr für das Land bedeute, die es abzuwenden gelte.
Im konkreten Leitartikel klingt das so: 
"In Wahrheit sind die riesigen Wanderungsbewegungen das
 große politische Thema des Jahrhunderts. Denn sie könnten die 
Sozialsysteme der Ankunftsländer überfordern, genauso wie deren 
politische Strukturen. Rechtspopulisten sind im Vormarsch."
Man
 beachte das Bild, das auf diese Weise suggeriert wird: Dort (in der 
europäischen Welt außerhalb der eigenen Redaktionsstube) marschieren die
 Rechtspopulisten an – hier sitzt die verantwortungsbewusste Journalistin, die voller Besorgnis über diese Entwicklung als Mahnerin 
auftritt. 
Nun mag Frau Dr. Salomon in der Tat kein Mitglied der 
FPÖ sein; sie wird vielleicht auch bei keinen Aufmärschen der Pegida 
teilnehmen oder sonstwie in unmittelbarer Verbindung mit Gruppierungen 
stehen, die man landläufig mit dem Begriff "rechtspopulistisch" 
assoziiert. Aber was hat das schon zu bedeuten? Jeder Satz ihres 
Leitartikels könnte genauso von einem waschechten Rechtspopulisten (bzw.
 deren weiblichen Pendants wie Marine Le Pen) stammen.
Zum Beispiel, wenn es heißt:
"Aber
 hält es Europa wirklich politisch und sozial aus, weitere Millionen (in
 der Mehrzahl muslimische) Afrikaner aufzunehmen, deren Herkunftsländer
in Stammeskriegen, Zerstörung und Korruption gefangen sind?"
Ein Unterschied zu den Botschaften irgendeines Rechtspopulisten besteht hier bestenfalls im Satzbau: 
Die
 rechtspopulistischen Politiker oder Versammlungsredner (bzw. die ihnen 
gleichzuhaltenden Journalisten in Medien à la "Kronen Zeitung") würden 
explizit formulieren: "Europa hält es politisch und sozial nicht aus 
[…]!"
Salomon kleidet genau dieselbe Aussage pseudo-verschämt in eine rhetorische Frage: "Aber hält es Europa wirklich politisch und sozial aus […]?"
Das
 anschaulichste Beispiel für die Deckungsgleichheit der Gedankenwelt 
zwischen Salomon und Rechtspopulisten liefern aber eben die beiden 
letzten Sätze ihres Leitartikels. Sie seien nochmals zitiert:
"Australien
 nimmt übrigens keine Flüchtlinge mehr aus Schlepperbooten auf. Das hat 
das Massensterben im Meer dort ab 2014 beendet."
Diese 
Botschaften bzw. dezenten Denkanstöße (die natürlich wieder ganz arglos 
als vermeintlich wertfreie Feststellungen verkleidet wurden) haben mich 
dazu veranlasst, bei Google die Suchbegriffe "Australien, Schlepper" 
einzugeben. Und siehe da: Gleich als erster einschlägiger Link (nach 
zwei-drei anderen zu Traktormarken und Ähnlichem) kommt da folgender 
(aufgerufen am 29. April 2015):
http://www.pi-news.net/2015/04/schlepper-australiens-push-back-funktioniert/ 
Es handelt sich um einen Artikel in einem Blog bzw. Portal namens "Politically Incorrect". Die Überschrift des Artikels lautet:
"Schlepper: «Australiens 'push back' funktioniert.»"
Im Text heißt es dann unter anderem:
"Ihre Aufgabe [Anm.: jene von Militärschiffen der australischen Marine]:
 Sämtliche Boote mit sog. 'Flüchtlingen' zu stoppen und 
zurückzuschicken. Sollten die Schiffe nicht mehr seetauglich sein, werden die Insassen
 in Rettungsboote gesteckt und zurückgebracht. 'Push back' heißt die 
Aktion. Hingegen wurde […] an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der 
Europäischen Union (Frontex) genau das 2014 per EU-Verordnung verboten. 
Frontex muss alle 'Flüchtlinge' ausschließlich in Richtung Europa 
'retten'."
Im weiteren Verlauf der Ausführungen werden dann die entsprechenden ideologischen Schlussfolgerungen formuliert:
"Klar
 ist, dass die Masseneinwanderung unter dem Deckmantel des Asyls 
bedrohliche Formen annimmt und Hauptfeinde sind nicht einmal die 
'Asylanten', sondern die Kollaborateure der europäischen Asylindustrie 
in Redaktionen, Flüchtlingshilfeorganisationen und EU-Institutionen.
Diese
 Kollaborateure sind auch die eigentlichen Geldgeber und Verbündeten der
 Schlepper, die uns anscheinend am Nasenring in der Mittelmeer-Manege 
herumführen. Wie einfach dem abzuhelfen wäre, zeigt Australien."
Ein
 Zufall, dass sich Verfasser (oder Verfasserin) des eben zitierten 
Artikels und Frau Dr. Salomon in ihrer Wertschätzung für die 
australische Vorgangsweise einig sind? Oder dass sie sich in der 
Diagnose einig sind, dass "die Masseneinwanderung unter dem Deckmantel des Asyls bedrohliche Formen annimmt" (bei Salomon korrespondierend: "Aber
 hält es Europa wirklich politisch und sozial aus weitere Millionen (in 
der Mehrzahl muslimische) Afrikaner aufzunehmen, […]?").
Das seien Sichtweisen, die doch nicht mit Rechtspopulismus in Zusammenhang stünden? Sie tun es sehr wohl:
In den ausführlichen "Leitlinien" des Blogs/Portals "Politically Incorrect" (http://www.pi-news.net/leitlinien) wird dessen ideologische Ausrichtung näher dargelegt. Dort heißt es zum Beispiel: 
"Aufgrund der immer mehr um
 sich greifenden Ideologie des Multikulturalismus hat bereits eine 
schleichende Aushöhlung unserer Rechte stattgefunden. Die weitgehende 
Akzeptanz islamischer Ethik und Kultur bedeutet für Deutschland und 
Westeuropa zwangsläufig eine Entstehung von Parallelgesellschaften, in 
denen weder das Grundgesetz noch die Menschenrechte wirksam werden 
können."
"In
 vielen Redaktionen ist es längst erklärtes Programm, für den Multikulturalismus und die absurd überzogene Sozialstaatlichkeit zu 
berichten."
"Doch
 von einem Staat, der sich anmaßt, immer tiefer in unsere privaten 
Angelegenheiten einzugreifen (von der sozialstaatlichen Lohnenteignung 
über diverse Zwangsabgaben hin zu immer weitreichenderer Überwachung), 
droht eine schleichende Erodierung unserer Rechte und Freiheiten auszugehen, wenn er von seinen Bürgern verlangt, sich der Ideologie des Multikulturalismus zu unterwerfen."
 Da muss man schmunzeln, wenn sich "Politically Incorrect" in einem seiner Untertitel zum Ziel setzt, "News gegen den Mainstream"
 schreiben zu wollen. Von wegen! Als ob man nicht in 
Salomon-Leitartikeln haarscharf das Gleiche lesen könnte. (Von der 
"Kronen-Zeitung" oder Gratisblättern ganz zu schweigen.) "Gegen die Islamisierung Europas" heißt ein weiterer Untertitel. Kommt mir auch vertraut vor, wenn ich an manche Salomon-Kommentare denke (siehe dazu etwa diesen Blog-Eintrag von mir). "Für Grundgesetz und Menschenrechte"
 steht ebenfalls dort. Sorgen macht man sich hierbei zwar um deren 
mangelnde Wirksamkeit in islamisch geprägten "Parallelgesellschaften" 
(siehe obiges Zitat aus den Leitlinien). Aber das hehre Motto hindert 
offensichtlich nicht, das zuvor angesprochene Urteil des Europäischen 
Menschenrechtsgerichtshofs im Fall Hirsi Jamaa gegen Italien 
geflissentlich zu ignorieren – auch darin besteht eine bemerkenswerte Gemeinsamkeit zwischen den Leuten bei "Politically Incorrect" und Frau Dr. Salomon. 
Aufschlussreich sind aber auch beiderseits am Rand der Website von "Politically Incorrect"
 platzierte Werbebanner, deren, sagen wir mal "rechtspopulistische 
Orientierung" unschwer zu erkennen ist. Zwei davon finde ich im 
gegebenen Zusammenhang besonders interessant: Eines davon lädt zum 
"Abendspaziergang" von "PeGiDa – Berlin" am 4. Mai 2015. Ein zweites 
ähnliches Werbebanner ist mittlerweile weg, weil der Termin bereits 
vorüber ist: Geworben wurde damit vor einigen Tagen für eine 
Pegida-Versammlung in München am 27. April 2015.
Wo ist da also 
inhaltlich und ideologisch ein Unterschied zwischen Rechtspopulisten und
 Salomon? Weit und breit nirgends! Nur dass Salomon auch noch feig ist: 
Die deklarierten Rechtspopulisten stehen wenigstens zu ihrer Gesinnung. 
Salomon hingegen heuchelt Sorge, weil "Rechtspopulisten im Vormarsch (sind)" und propagiert gleichzeitig genau deren ideologische Linie. Ein Meisterstück an journalistischer Durchtriebenheit.
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Gegenstandpunkte zu Salomon – auch im "Kurier": 
Korrekterweise
 muss man festhalten, dass jedenfalls bei diesem Thema (Asylwesen, 
Flüchtlingsproblematik) der "Kurier" insgesamt nicht mit der Einstellung
 seiner stellvertretenden Chefredakteurin gleichzusetzen ist. (Bei 
anderen, insbesondere, wirtschaftsnahen und innenpolitischen Themen 
fallen die Artikel hingegen weitaus stromlinienförmiger aus – egal, von 
wem sie verfasst wurden.) 
Von Journalist/innen wie etwa Josef 
Votzi und Doris Knecht kamen in diversen Artikeln erkennbar humanere 
Äußerungen, als Salomon sie artikuliert. Das ist beileibe kein Grund für
 ein Loblied auf die Zeitung, soll aber auch nicht unerwähnt bleiben.
Zwei Beispiele seien herausgegriffen:
1.
Josef Votzi hat im Kurier vom 26. April 2015 (also drei Tage nach Salomons Pamphlet) einen Leitartikel veröffentlicht ("Flüchtlinge brauchen Gipfel der Gutwilligen").
 Was er schreibt, liest sich teilweise wie das genaue Gegenstück zu 
Salomons Ausführungen. Vereinzelte Parallelen mag es zwar auch geben, 
etwa wenn er meint: "Öffnet Europa seine Grenzen uferlos, droht es politisch und sozial zu kippen."
 Natürlich wäre dieser Satz auch bei Votzi kritisch zu hinterfragen; 
aber man kann davon ausgehen, dass er von ihm jedenfalls in redlicher 
Absicht (und nicht als Teil einer ideologisch motivierten Stimmung- und 
Panikmache) geäußert wurde. Denn Votzis Gesamtbetrachtung des Themas, in
 deren Rahmen dieser Satz steht, ist eine gänzlich andere als jene 
Salomons oder etwa jene auf der Website von "Politically Incorrect". Ich
 denke nicht, dass Votzis Leitartikel mit den Äußerungen irgendeines 
Rechtspopulisten verwechslungsfähig wäre.
Hier einige Zitate aus dem Leitartikel, die das illustrieren:
• "Hunderte
 Menschen versuchen noch immer fast täglich, von der libyschen Küste aus
 ins gelobte Land Europa überzusetzen. Daran haben auch die jüngsten 
Boots-Katastrophen mit über tausend Toten nichts geändert. Niemand 
flieht ohne Not, niemand lässt seine Heimat möglicherweise für immer aus
 Jux und Tollerei hinter sich."
• "Die
 Vorstellung, dass Europa mit Flüchtlingen aus aller Welt überschwemmt 
werde, macht massiv Angst – und eine sachliche Debatte schwerer denn je.
 Wer nicht in den großen Chor jener einstimmt, die simpel skandieren 
'Wir können doch nicht alle nehmen', wird mit aggressiven Mails 
überhäuft. Tenor: Wie viele Flüchtlinge sitzen eigentlich schon in Ihrem
 Wohnzimmer?"
• "Die 
angstbeißerische Antwort 'Macht endlich alle Grenzen zu Wasser und zu 
Lande für illegale Migranten dicht' ist nicht nur unmenschlich, sondern 
auch ineffizient im Sinne ihrer Erfinder."
• "[…]
 Anstoß für ein Gipfelgespräch der Gutwilligen im Flüchtlingsdrama […]: 
Wo und wie kann das reiche Österreich noch mehr für die vielen 
Verzweifelten rund um uns tun."
Das klingt deutlich menschlicher als Salomon.
2.
Zum Thema zu Wort gemeldet hat sich auch Niki Glattauer in seiner Kolumne "Schule und der Rest des Lebens"
 (Kurier vom 27. April 2015, Seite 17). Sprachlich-stilistisch ist das 
Ergebnis zwar (wie üblich) miserabel; und die Attitüde, alles krampfhaft
 auf lustig und pseudo-locker "rüberbringen" zu müssen, nervt auch 
gewaltig (vor allem, wenn es um ein so ernstes Thema geht). 
Aber
 – und so weit muss man die Dinge fairerweise trennen – von der 
Botschaft bzw. von der grundlegenden Einstellung her finde ich Glattauer
 bzw. seinen Kommentar wohltuend. (Mal abgesehen von der diskussionswürdigen Behauptung, dass das "heutige Europa […] ohne das Neue Testament nicht denkbar" sei. Doch diese religiöse Penetranz sei ihm in Anbetracht seiner sonstigen Ausführungen nachgesehen.)
Was
 (eher nebenbei) zu bemängeln ist: Er kritisiert die Berichterstattung 
des "Boulevards" und meint damit einseitig offenbar irgendeine 
Gratiszeitung (arg.: "wie gratis zu lesen war"). Was 
aber spätestens nach der Lektüre meines Blog-Artikels deutlich sein 
sollte: Seine Kritik lässt sich fast eins zu eins auf die Ausführungen 
"seiner eigenen" stellvertretenden Chefredakteurin übertragen. 
Unter der treffenden Überschrift "Pharisäer" schreibt Glattauer unter anderem:
• "Der [Anm.: der Teufel] trägt
 ja jetzt den Namen 'Schlepper'. Sauft sich an, raucht sich ein, casht, 
wie gratis zu lesen war, zuerst 185 Euro für eine Schwimmweste und 
pfercht dann sein für den 'Sklavenmarkt' bestimmtes Opfer ins Unterdeck,
 auf dass es bei der absichtlich herbeigeführten Havarie gar nicht 
irrtümlich überleben kann. So gesehen verantwortet also der 'Schlepper' 
die 'Tragödie im Mittelmeer', mafiös und bös’, wie er dem Wesen nach 
ist. Zum Glück, oder besser: gottlob hat ihn der Boulevard enttarnt, 
sonst müssten wir von einer 'Naturkatastrophe Mittelmeer' sprechen. Und 
natürlich trägt der Sklave selbst ein gehöriges Maß an Mitschuld, wenn 
er nicht bleiben will, wo der liebe Gott ihn hingestellt hat, oder sich 
wenigstens in einem nahe gelegenen Lager (am besten Sahara) für Europa 
anstellen, schon gar, wenn er nicht einmal schwimmen kann. Außerdem, wo 
kämen wir hin, wenn wir diese zig Millionen […] aufnehmen würden? 
Immerhin gelte es ja, das 'europäische Wertesystem' zu erhalten..."
• "Das
 heutige Europa, erkläre ich meinen Schülern, ist ohne das Neue 
Testament nicht denkbar und dieses nicht ohne Jesus von Nazareth. Wofür,
 frage ich meine Schüler, würde er eurer Meinung nach eintreten: für das
 bedingungslose Retten jedes einzelnen Menschen in Not, egal, unter 
welchen Umständen? Oder für Auffanglager, Drohnen gegen verdächtige 
Fischerboote und das Grenzschutzprogramm der EU? Was glaubt ihr, wofür 
er – und wofür die Pharisäer?"