Montag, 13. Juli 2015

Ein Rücktritt, Verrat + Unterwerfung, Demütigung

Das sind die markanten Ereignisse in den Tagen nach der griechischen Volksabstimmung vom 5. Juli:

• Am Montag (6. Juli 2015) erklärt der Finanzminister Gianis Varoufakis seinen Rücktritt.

Seine diesbezügliche Erklärung in seinem Blog:
http://yanisvaroufakis.eu/2015/07/06/minister-no-more/

Zwei besonders bemerkenswerte Stellen aus Varoufakis' Text seien zitiert:


"Soon after the announcement of the referendum results, I was made aware of a certain preference by some Eurogroup participants, and assorted ‘partners’, for my… ‘absence’ from its meetings; an idea that the Prime Minister judged to be potentially helpful to him in reaching an agreement. For this reason I am leaving the Ministry of Finance today."

"And I shall wear the creditors’ loathing with pride."
 [Anm.: loathing = Abscheu]

Wohl nur selten ist in neuerer Zeit einer öffentlichen Person mit so viel konzertierter Hetze, Verunglimpfung und Hass begegnet worden, wie das gegenüber Varoufakis der Fall war. Täter waren in trauter Einmütigkeit europäische Politiker, Medien und breite Teile der Öffentlichkeit. Dazu kam offensichtlicher innerparteilicher Druck von Seiten Tspiras' ("...; an idea that the Prime Minister judged to be potentially helpful to him").

• Am 9. Juli schickt die griechische Regierung einen Vorschlag für Spar- bzw. Reformmaßnahmen nach Brüssel, der inhaltlich weitgehend das enthält, was 4 Tage zuvor beim Referendum von 61% der Abstimmungs­teilnehmer/innenabgelehnt worden war bzw. was Syriza vor den Wahlen ausgeschlossen hatte.

Hier der Text (englisch):

http://www.avgi.gr/documents/10179/0/ΠΡΟΤΑΣΗ_ΚΥΒΕΡΝΗΣΗΣ/34ae08c0-a84c-4d96-9b7b-d7846e654ec0 


Nach dem innerparteilichen Forcieren von Varoufakis' Rücktritt ist das der zweite Akt des Verrats an den Syriza-Wähler/innen vom Jänner bzw. den Abstimmenden vom 5. Juli – und gleichzeitig der zweite Schritt der Unterwerfung unter die Geldgeber/Erpresser.

• Am 12./13. wird nach langen Verhandlungen der 19 Staats- und Regierungschefs der Eurozone diese Unterwerfung plus Demütigung Griechenlands bzw. seiner Verhandler perfektioniert:

Um einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone zu verhindern und gleichzeitig ein weiteres (drittes) Hilfspaket zu erwirken, gibt Ministerpräsident Tsipras der Erpressung nach und kapituliert so gut wie bedingungslos:

Die Einigung zwischen griechischer Regierung und Geldgebern ist nach übereinstimmender Expertenmeinung hinsichtlich der auferlegten Sparmaßnahmen und der Privatisierungsschritte sogar drastischer als jenes Programm, zu dem die Griechen am 5. Juli Nein gesagt hatten.


Wesentliche Teile des Programms vom 13. Juli (Mehrwertsteuer-Erhöhung und Pensionsreform) mussten – als Vorleistung und als "vertrauensbildende Maßnahme" gegenüber den Erpressern – bis Mittwoch (also binnen 2 Tagen) vom griechischen Parlament beschlossen werden (was auch mit klarer Mehrheit geschah). Verlangt wird weiters die Rücknahme bestimmter bereits früher beschlossener Gesetze usw.


Hier die "Erklärung des Euro-Gipfels" vom 12. Juli 2015 zu dem (erpressten) Verhandlungsergebnis:

http://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2015/07/12-euro-summit-statement-greece/

Wie soll man Tsipras (samt seinen Getreuen) charakterisieren?

Ist er ein Verräter, ein Lügner, ein Unfähiger, ein Feigling, ein Schwächling? Meiner Meinung nach: leider all das. Nur über eine Gewichtung dieser Eigenschaften lässt sich schwer eine Aussage treffen, ohne ihn und die Abläufe hinter den Kulissen näher zu kennen.