Beide sind
leider nur allzu präsent: Ersterer als regelmäßiger Gute-Laune-Schreiber im
"Kurier" – sei es auf Seite 1, sei es auf der vorletzten Seite mit
einer (vorgeblichen) Fernsehkritik. (An schlimmen Tagen liest man von ihm sogar an
beiden Stellen.) Und der Andere ist ein Kabarettist mit penetranter Anwesenheit
in den Medien. Derzeit wird etwa das Fernsehprogramm von ORF III mit seinen
diversen Auftritten zugepflastert (also jener
Sender, der sich – teilweise durchaus zu Recht – "Kultur und Information" auf die Fahnen geheftet hat).
Zufällig
(und wahrlich unbeabsichtigt) bin ich auf besagtem ORF III vor wenigen Tagen in
eine Aufzeichnung eines solchen Niavarani-Kabarettprogramms geraten. Ich wäre
ja prinzipiell bereit, mir einmal eine solche Sendung komplett anzuschauen,
aber ich schaffe es nicht: Nach längstens 5 Minuten bin ich so angewidert vom
Brachial-, Vulgär- und Fäkal-"Humor" dieses (wie auch diverser
anderer) Kabarettisten samt seinem sich darüber zwar königlich, aber gerade
deshalb so unendlich anspruchslos-debil vergnügendem Saalpublikum, dass ich
abschalten muss. Wobei "angewidert" vielleicht nicht ganz der
passende Ausdruck ist: Angewidert bin ich zwar zweifellos auch, aber das wäre
nicht unbedingt ein Hindernis, eine solche Sendung in voller Länge
durchzustehen. Es ist mehr ein Gefühl der Art: "Das habe ich nicht
notwendig – mir etwas derart Niveauloses zuzumuten bzw. zumuten zu
lassen." Deshalb reichen bei einschlägigen Kabarettprogrammen die
erwähnten maximalen 5 Minuten. Ich bin nicht daran interessiert, eine Stunde
oder mehr an Primitivität und Banalität in Kauf nehmen zu müssen, um allenfalls
in den Genuss von ein oder zwei tatsächlich witzigen oder geistvollen Bemerkungen
zu kommen.
Im Kurier
vom 2. Mai äußert sich nun Tartarotti ganz beglückt über Niavarani. Das ist
auch nicht weiter verwunderlich. Ich wäre jede Wette eingegangen, dass er ihn
schätzt. Denn die beiden sind ja wahrlich Geistesverwandte in Sachen Humor. Wobei
im gegebenen Zusammenhang die Ausdrücke "Geist" und "Humor"
komplett deplatziert sind – aber der Einfachheit halber formuliere ich es halt
so. (Was diesbezüglich von Tartarotti zu halten ist, habe ich bereits vor
längerer Zeit unter dem Titel Toiletten-Journalismus ausführlich beschrieben. Es hat nichts von seiner Gültigkeit verloren.)
Die
Überschrift in Tartarottis Fernsehkolumne lautete am 2. Mai: "Lustig und gescheit".
Und das
meint er sogar ernst, wie sich nach Lektüre des Texts herausstellt. Schon im
ersten Absatz ist Tartarotti ganz begeistert:
"Die
derzeitigen Niavarani-Festspiele zum 50. Geburtstag haben wirklich erfreuliche
Auswirkungen: Sie spielen jede Menge hervorragende Dinge ins oft so öde TV-Programm."
Dazu
verweist Tartarotti auf die Ausstrahlung eines Niavarani-Kabaretts aus 2009 und
auf "viele spannende und lustige
Interviews".
Nun habe
ich all diese wunderbaren Dinge aus zuvor erwähntem Grund nicht gesehen. Das
gebe ich zu. Aber was da so an Spannendem und Lustigem präsentiert wurde, dafür
liefert Tartarotti in seiner Kolumne zwei konkrete Beispiele – und die genügen
mir (so wie der 5-Minuten-Konsum der einschlägigen Programme).
Das erste
von Tartarotti zitierte Beispiel soll offenbar für das Spannende bzw. Gescheite
stehen, ist reichlich uninteressant, sei aber zur Illustration dennoch erwähnt.
Demnach soll Niavarani gesagt haben (Auslassungspunkte in Klammer stehen in der Wiedergabe durch Tartarotti):
"Ich
bin aus der Schule gegangen, weil ich nie wissen wollte, wie etwas passiert,
sondern warum es passiert. (…) Die Atome des Universums haben sich zu einem
Hirn zusammen gefügt, um über sich selbst nachzudenken. Das Universum denkt in
unseren Hirnen über sich selber nach. Das ist meine Religion."
Tartarotti
meint tatsächlich, dass Niavarani damit etwas "über seine Lebensphilosophie" (!) zum Ausdruck gebracht
habe. Nun ja. Die geistigen Dimensionen müssen schon ziemlich bescheiden sein,
wenn man derartigen Unsinn für eine "Lebensphilosophie" hält. Ich
habe ja sowieso den Eindruck, Niavarani hat sich damit in irgendeinem Interview
mit seinem Gegenüber bewusst einen Scherz erlaubt (auf den Tartarotti prompt
hereingefallen sein dürfte, indem er diese Aussagen zu einer
"Lebensphilosophie" adelt).
Niavarani
und Tartarotti mögen weiterhin das Universum in ihren Hirnen nachdenken lassen;
ich bevorzuge es, mit meinem Hirn selbst nachzudenken und mir deshalb jetzt auch
eine Meinung darüber zu bilden, was N & T lustig finden. Das
"Gescheite" und das "Spannende" haben wir ja in Form der
das Hirn bildenden Atome des Universums soeben kennengelernt.
Tartarotti
würdigt also mit einem zweiten Zitat Niavaranis dessen "Freude am derben Humor". Der große Denker wird von Tartarotti
folgendermaßen wiedergegeben (Auslassungspunkte wieder aus dem
Kurier-Originaltext):
"Zum
Wienersein gehört einfach dazu, auch einmal Oasch zu sagen. (…) Ich bekam
einmal einen Brief einer Hofratswitwe: Warum müssen Sie immer so ordinär sein?
Ich habe geantwortet: Liebe, gnädige Frau, bitte scheißen Sie sich nicht an
…"
Man hört
sie geradezu lachen, all die Tartarotti-Klone im Publikum, wenn Niavarani ein
solches G'schichterl in einem seiner Programme auftischt. (Ja, ich meine genau
die Leute von vorhin, die "sich zwar königlich, aber gerade deshalb so
unendlich anspruchslos-debil vergnügen".)
Was das
Wienersein betrifft: Mag sein, dass es ihm eigen ist, "auch einmal Oasch zu sagen". Ich habe gegen die
Verwendung des Ausdrucks im Prinzip auch gar nichts einzuwenden und finde
sogar, dass er vielen Menschen als Bezeichnung ausdrücklich gebührt.
Das alles
heißt aber noch lange nicht, dass ein solches Vokabular (noch dazu gleichsam
als Selbstzweck) in Kabarettprogramme bzw. in weiterer Folge in Zeitungskolumnen
Eingang finden muss. Dazu besteht weder in faktischer Hinsicht eine Notwendigkeit.
(Wozu muss ich von Bühne und Medien mit dem konfrontiert werden, was ich –
jedenfalls in Wien – ohnedies auch jederzeit authentisch auf der Straße hören
kann?) Und schon gar nicht entspricht es – sei es auch noch so niedrig
angesetzten – Qualitätsstandards für Unterhaltungsprogramme oder
Zeitungsartikel. (Aber da bin ich zugegebenermaßen selber schuld, wenn ich
hierzulande noch von Qualitätsstandards zu träumen wage.)
Wesentlicher
ist allerdings ohnehin die angeschlossene Anekdote über die angebliche
Korrespondenz mit der Hofratswitwe. Zunächst bezweifle ich, dass sich diese
Geschichte überhaupt abgespielt hat: Der in ihr enthaltene "Witz" ist
nicht neu (auch wenn Tartarotti ihn in seiner Naivität anscheinend für eine
Niavarani-Schöpfung hält). Er ist in diversen Varianten immer wieder erzählt
(bzw. gespielt) worden. Originell war Niavarani damit also jedenfalls nicht.
Und dass die Briefschreiberin eine Hofratswitwe gewesen sein soll (oh Gott, was
für ein banales Klischee), das hat sie Niavarani mitgeteilt? Wie darf man sich
das vorstellen? Hat die geschrieben: "Sehr geehrter Herr Niavarani, ich
bin Hofratswitwe. Bitte sind Sie nicht immer so ordinär!" (?)
Kurzum: Ich
gehe davon aus, dass Niavarani hier "fake news" erzählte (um mich
modern auszudrücken). Oder anders gesagt: Er verarschte mit der Geschichte sein
Publikum (um das von N & T bevorzugte Idiom zu verwenden).
Aber halten
wir das Erzählte dennoch für wahr – um es nämlich auf seinen Gehalt an Humor prüfen zu
können. Für mich ist da keiner (kein Gehalt, kein Humor):
Einen
(unbekannten) Menschen (wie diese angebliche Hofratswitwe), welcher offenbar
höflich und dezent sein Missfallen über die (ordinäre) Ausdrucksweise brieflich
mitteilt, gezielt dadurch vor den Kopf zu stoßen, dass man ihm sogar persönlich
eine solche Ausdrucksweise entgegenschleudert – grundlos, mutwillig und zum
alleinigen Zweck, diesen Menschen zu beleidigen (zu brüskieren, zu schockieren,
…) und genau damit sich selbst (und sein einfältiges Publikum) zu amüsieren:
Das ist für
mich kein "derber Humor" und auch sonst in keiner Weise lustig. Es
ist als "Witz" einfach primitiv, vulgär, banal, und es ist in der
Sache schäbig. Es entspricht bestenfalls den Späßchen pubertierender Jugendlicher.
Niavarani
und Tartarotti sind übrigens heuer beide 50.