Montag, 18. März 2013

Zu dumm zum Wählen

Es ist zu kurz gegriffen und letztlich absurd, sich in einem politischen System, in dem die regierenden Parteien und Personen aus freien Wahlen hervorgehen, darauf zu beschränken, ständig über eben diese Parteien und Personen herzuziehen, ohne die Ursache des Übels mit einzubeziehen: also die Wähler/innen bzw. deren Wahlverhalten.

Zu sagen "Die Politiker sind machtgierig, korrupt, verlogen" (usw.), gilt als legitim und als geradezu schon selbstverständlich gewordenes Werturteil. Ein absolutes Tabu ist es jedoch zu behaupten: "Die Wahlberechtigten sind zu dumm zum Wählen." Dieses Tabu gehört gebrochen. Wer Auto fahren will, benötigt einen Führerschein, um sich und Andere durch sein Fahr- verhalten möglichst wenig zu gefährden. Wer (mit)bestimmen möchte, welchen weiteren Verlauf das Gemeinwesen (Staat, Bundesland usw.) nimmt, der braucht (sofern er wahlberechtigt ist) nur einen Kugelschreiber und einen Stimmzettel – sonst absolut nichts; vor allem keinerlei Kennt- nisse darüber, worüber er da überhaupt entscheidet bzw. welche Auswirkungen seine Entscheidung hat.

Das Resultat lässt sich anhand zahlreicher (natürlich nicht nur österreichischer) Wahlergebnisse und deren Folgen ablesen.

Ein anschauliches Beispiel liefert der Ausgang der Landtagswahlen, die am 3. März in Niederösterreich und in Kärnten stattgefunden haben. Herausge- griffen sei ein bestimmtes Detail (auch wenn das natürlich nicht der einzige Fall dummen Wahlverhaltens bei diesen Wahlgängen ist):

Das sogenannte "Team Stronach" – das in beiden Bundesländern erstmals angetreten ist – hat auf Anhieb in Niederösterreich 9,8% und in Kärnten 11,3% der Stimmen erzielt.

Man kann einmal getrost beiseite lassen, dass ich jemandem wie Stronach aus grundlegenden ideologischen Motiven zutiefst ablehnend gegenüber-stehe. Ganz unabhängig davon lässt sich nämlich der beachtliche Stronach-Erfolg mit der Diagnose "Zu dumm zum Wählen" erklären. Ich brauche das gar nicht näher mit eigenen Worten zu begründen. Diese Begründung haben der Nachrichtenmoderator Armin Wolf und der von ihm interviewte Meinungsforscher Werner Beutelmeyer in der "Zeit im Bild 2" von 5. März 2013 sehr klar geliefert.

Das Interview lautet auszugsweise:

  • Armin Wolf:
"Aber was gefällt denn nun dem Stronach-Wähler an einer ganz, ganz neuen Partei, die noch kein wirkliches Programm hat – das auch wahr- scheinlich kaum jemand kennt –, keine bekannten Kandidaten und letztlich einen Parteigründer und Spitzenmann, der – sagen wir mal – öffentlich zumindest eher erratisch agiert?" 

  • Werner Beutelmeyer:
"Wir haben hier einen ganz typischen Fall der modernen Politik. Diese verkürzt sich immer mehr auf eine Spitzenperson, auf eine Philosophie. Da geht's nicht um konkrete Inhalte, da braucht's nicht ein ausgefeiltes Programm; sondern da geht's darum: Wer kann mit der aktuellen Stimmung am besten umgehen, wer geht darauf ein?

Und diese Stimmung – wenn wir an das letzte Jahr zurückdenken – war ganz einfach geprägt von der Denkzettelmentalität, so nach dem Motto: Es geht nichts weiter; Lebensqualität im Lande ist gefährdet – und welche Partei kann am ehesten hier eine Antwort geben. Und man ist verdrossen. Die Großen – die Koalition – bringt zu wenig weiter. 

Also er [Stronach] hat ganz hervorragend dieses Stimmungsbild genutzt und surft auf dieser Stimmung, ohne jetzt im Detail konkrete Personen oder konkrete Inhalte nachbringen zu müssen." 

  • Wolf:
"Nun sind aber in beiden Bundesländern ja durchaus noch andere neue Parteien am Wahlzettel gestanden. Man hätte seinen Protest also auch anders ausdrücken können." 

  • Beutelmeyer (unter Hinweis darauf, dass sich in der Politik "in den letzten 30 Jahren sehr viel verändert" habe):
"[…] Da geht's also offenkundig sehr stark um Stimmung, um Werbe-kommunikation, um Werbedruck, um "Dirty Campaigning" – all das spielt eine Rolle. Das heißt: Politik ist sehr oberflächlich geworden."

Die explizite Schlussfolgerung "Zu dumm zum Wählen" haben natürlich nicht Wolf und Beutelmeyer gezogen – die stammt von mir. ;-)