Sonntag, 13. Mai 2018

Arik Brauer und die Rechten

Wo soll ich heute mit der Kritik ansetzen? In schon bewährter Manier bei der Kurier-Journalistin Dr. Martina Salomon oder beim Maler und Lieder­macher Arik Brauer? Letzterer hielt am 8. Mai (also wenige Tage nach Michael Köhlmeier) ebenfalls eine "offizielle" Gedenkrede (im Bundes­kanz­ler­amt). Und schon zuvor hatte er im "Kurier" zwei höchst problematische Interviews gegeben (am 3. April 2018 [Link] und am 5. Mai [Papierausgabe: 6. Mai] 2018 [Link]).

Problematisch sind sie einerseits aus inhaltlichen Gründen; aber vor allem auch durch die Lebensgeschichte Brauers: Er wurde 1929 in Wien geboren, stammt aus einer jüdischen Familie, sein Vater starb in einem Konzentra­tions­lager; er selbst überlebte – teilweise versteckt – in Wien.

Was immer jemand wie er – also ein unmittelbar Betroffener – zu den Themen Nationalsozialismus und Antisemitismus zu sagen hat (und wie immer er sich in solchen Belangen verhält), ist deshalb zunächst einmal als authentisch, beachtenswert und relevant anzusehen – es ist jedenfalls als seine subjektive Wahrheit und Richtigkeit unbedingt zu respektieren und ernst zu nehmen. Dass genau dadurch die Kritik daran erschwert wird, ist eben Teil der Problematik.

(Für alle anderen Themen, zu denen er sich äußert – etwa zur Frage der Zuwanderung im Allgemeinen oder des Islam im Allgemeinen – gilt das übrigens meiner Überzeugung nach eindeutig nicht: Brauer mag auch dazu wie jeder andere Mensch seine Meinung abgeben. Aber seine diesbe­züg­lichen Ansichten haben keinesfalls automatisch mehr Gewicht, Rele­vanz oder Autorität als jene irgendeines sonstigen Durchschnittsbetrachters der jeweiligen Materie.)

Ich beginne bei den (politischen bzw. journalistischen) Reaktionen auf Brauers Rede bzw. Interviews. Diese Reaktionen sind leider so ausgefallen, wie es zu erwarten war: Seine Äußerungen (und sein freundliches Verhalten gegenüber Strache im Bundeskanzleramt) sind Wasser auf die Mühlen der Rechten (aller möglichen Schattierungen, aber insbesondere natürlich der FPÖ), die all das nun als eine Art Persilschein hinsichtlich ihrer eigenen Gesinnung vereinnahmen können.

(Das erinnert fatal an Ereignisse in den späten 1980er-Jahren, mit Viktor Frankl einer­seits und der damaligen FPÖ unter Jörg Haider andererseits: Teilweise relativierende Äußerungen des Juden und ehemaligen KZ-Häftlings Frankl über Schuld und Verant­wortung in Zusammenhang mit dem Natio­nal­sozialismus wurden damals von Haider und seiner Partei mit Begeisterung aufgegriffen und zur eigenen Imagepflege ausgenutzt.)

Im aktuellen Fall sieht die Sache beispielsweise so aus:

Ich zitiere den berühmt-berüchtigten Journalisten Michael Jeannée, der am 10. Mai 2018 in seiner Kolumne ("Post von Jeannée") in der "Kronen-Zei­tung" unter anderem die folgenden pathetisch-schmalzig-lächerlichen, aber gera­de dadurch entlarvenden Peinlichkeiten in Zusammenhang mit Brauers Gedenkrede schrieb:

"Hörbares Luftholen derselben Kreise [Anm.: wie sich aus dem Satz davor ergibt, meint Jeannée den Standard-Journalisten "Hans Rauscher und Kon­sor­ten"] zu Deinem [= Brauers] anschließenden Shakehands mit Heinz-Chris­tian Strache (…). 

Balsam fürs Land!

[…]

Dein spontanes Händeschütteln mit dem Chef der Freiheitlichen und Vize­kanzler ist die Geste des Jahres wider den Hass, wider Gräben, wider Unversöhnlichkeit, wider Dummheit.

Du, Arik Brauer, bist begnadet. Als Maler und Liedermacher sowieso. Aber nun auch als Zeitzeuge.

Bist der Mann der Stunde, wie sie wichtiger noch niemals schlug.

Die Stunde der Versöhnung.

Deine Stunde, Arik, für die Jahve Dich gesunde 89 Jahre alt werden ließ.

Ich glaube, dass nach deiner Gedenkrede, Deinem Händereichen nichts mehr so ist wie vorher.

Es ist mir eine Ehre, Dich persönlich zu kennen.

Schalom!"
[Vollständiger Artikel abrufbar auf pressreader.com]  

Ein derart kitschig-schleimig-schwülstiger Schmus klingt wie eine Satire auf eine Zeitungskolumne – und doch ist es absurde und traurige (Medien-)Re­a­lität.

Jetzt könnte man sagen: "Kronen-Zeitung und Jeannée – wen wundert's?" Aber der rechte Herr von der rechten (und auflagenstärksten österrei­chi­schen) Zeitung hat in der Arik-Brauer-Bewunderung (und sicherlich nicht nur darin) eine Gleichgesinnte im Konkurrenzblatt:

Dr. Martina Salomon würdigte ebenfalls am 10. Mai 2018 in einem Leitartikel im "Kurier" Arik Brauers Aktivitäten der letzten Tage (Titel ihres Texts: "Ringen um Aufklärung und Antifaschismus"; im Internet hier nach­zu­lesen). Salomon schreibt (wohl in mehrfachem Wortsinn) nüchterner als ihr Kollege; und ganz wie es dem subtileren (man könnte auch sagen: raffinierteren) Ton des "Kurier" und dieser Journalistin entspricht, fällt die verbale Verbeugung vor Arik Brauer nicht so grotesk aus wie bei Jeannée, lässt aber an Deutlichkeit gleichfalls nichts zu wünschen übrig. Nachdem sie Brauer zwei Mal zitiert hat, beschließt Salomon ihren Artikel mit folgenden Worten:

"[…] Und man packt viel zu schnell die Faschismuskeule aus. Das ist nicht mutig, dafür gibt es immer Applaus. Es ist Zeit für Zwischentöne. Danke, Arik Brauer, dafür."

Also auch hier dieses anbiedernde Dankbarkeitsgetue, dessen Ekel­haftig­keit nur deshalb weniger auffällt, weil man erst gerade zuvor Jeannées entrückt-verrückte Suada gelesen hat.

Wofür Jeannée (journalistisch-menschlich) steht, ist hierzulande durchwegs bekannt (und wird immerhin doch von einigen – wenn auch viel zu wenigen – kritisiert). Dieser Herr (und sein Ruf) spricht für sich; eine weitere Be­schäf­ti­gung mit ihm erachte ich als überflüssig.

Wofür Salomon (journalistisch-menschlich) steht, ist hingegen nicht immer so auf den ersten Blick erkennbar. Das liegt daran, dass sie – wie erwähnt – ihre Botschaften subtiler unter das Volk bringt als Holzhammer-Publizisten à la Jeannée. Das heißt aber keineswegs, dass es inhaltlich-gesinnungs­mäßig keine Parallelen oder Gemeinsam­keiten zwischen diesen beiden jour­nalistischen Koryphäen gäbe. (Diesen Sachverhalt einmal näher zu unter­su­chen, wäre eine reizvolle Aufgabe für eine Publizistik-Dissertation.)

Was von Frau Dr. Salomon zu halten ist – oder präziser formuliert: was ich von ihr halte –, geht aus mittlerweile schon zahlreichen Einträgen hier in meinem Blog hervor und wird von mir auch immer peinlichst genau be­grün­det. Auf ein paar diesbezügliche Details werde ich weiter unten zurück­kom­men.

In ihrem Leitartikel vom 10. Mai übt Salomon – wenig überraschend – Kritik an jener Gedenkrede, die Michael Köhlmeier am Freitag davor gehalten hat (Wortlaut der Rede und Youtube-Link hier in meinem Blog). Auch das schreibt sie nüchtern und subtil, indem sie befindet:

"Die Mai-Gedenktage haben gezeigt, wie schwer eine differenzierte Be­trach­tung ist, selbst für einen so großartigen Schriftsteller wie Michael Köhlmeier, der die Regierung geistig in die Nähe des verbrecherischen NS‑Regimes rückte."

Leider kann ich Salomon nicht entgegenhalten, was als Antwort auf ihre Behauptung naheläge: nämlich dass sie damit lügt. Denn es gibt in Köhl­meiers Rede in der Tat eine einzige (eher nebenbei getroffene) Aussage, von der man allenfalls behaupten kann, er habe damit die (gegenwärtige österreichische) Regierung in die Nähe des NS-Regimes gerückt. Und zwar, indem er kritisch den Innenminister zitierte, der "wieder" (gemeint also offenkundig: wie seinerzeit die Nazis) davon gesprochen habe, dass Menschen "konzentriert gehalten werden sollen" (s. dazu näher Fußnote 4 in meinem vorigen, oben verlinkten Blog-Eintrag zur Rede).

Sonst war da absolut nichts in der Köhlmeier-Rede, was einen Konnex zwischen derzeitiger Regierung und NS-Regime hergestellt hätte. Diese Bezugnahme auf den Innenminister rettet Salomon vor dem Vorwurf der Lüge – auch wenn sie mit ihrer Behauptung höchstwahrscheinlich auf eine andere Stelle in der Rede abzielte; nämlich jene, in der Köhlmeier sagte:

"Es hat auch damals schon Menschen gegeben – auf der ganzen Welt –, die sich damit brüsteten, Flucht­routen geschlossen zu haben."

Diese Äußerung wurde – von manchen wohl irrtümlich aus Lese- bzw. Hörschwäche und von Anderen (bis hinauf zu Kanzler Kurz höchstpersönlich) wider besseren Wissens – als Vergleich mit dem NS-Regime qualifiziert. Von Letzterem ist allerdings in dem Zitat weder direkt noch indirekt die Rede: Es geht um jene "auf der ganzen Welt" (also in potenziellen Auf­nah­me­staaten für Verfolgte!), die sich mit der Schließung von Flucht­routen zur Zeit des Nationalsozialismus brüsteten. Und dieser Vergleich ist völlig be­rech­tigt, und den muss sich Kurz deshalb sehr wohl gefallen lassen.

Worauf Salomon nun konkret anspielt, wenn sie in ihrem Text behauptet, Köhlmeier hätte die Regierung in die geistige Nähe des NS-Regimes gerückt – auf sein Zitat der Äußerung des Innenministers oder auf die Flucht­routen-Sequenz? –, möge letztlich jede/r für sich selbst beurteilen.

Nach diesem Tadel für Köhlmeier wendet sich Salomon jedenfalls Arik Brauer zu und meint:

"Arik Brauer führte die feinere Klinge."

Das begründet sie mit einem Zitat Brauers aus dem Kurier-Interview vom 3. April. Brauer habe da nämlich laut Salomon "Wichtiges" (!) gesagt. Und zwar Folgendes:

"Für mich ist die muslimische Einwanderung schuld daran, dass die FPÖ zu einer Massenpartei werde konnte und in der Regierung sitzt. Die Rechten haben von Anfang an begriffen, dass die muslimische Migration ein Pferd ist, auf dem man vorwärts reiten kann. Sie haben aber nicht begriffen, wie man die Probleme wirklich löst, weil es ihnen ja nur um die Macht gegangen ist."

Das ist natürlich genau das, was Leute wie Salomon (und mit ihr sicher die Mehrheit in diesem Land) hören wollen: "Die Moslems sind schuld." – Von feiner(er) Klinge bemerke ich bei dieser Brauer-Aussage jedenfalls nichts.

Und ja: Vergleiche der heutigen Islamophobie mit dem Antisemitismus der Zwischen­kriegs- bzw. Nazizeit sind berechtigt, auch wenn das reflex­artig bei Vielen zu (geheuchelter) Empörung über vermeintlich unangemes­se­ne Gleich­setzungen führt:

Das "gesunde Volksempfinden" sucht sich immer diabolisch seine Sünden­böcke: Das waren "damals" die Juden, und es sind heute (primär) die Moslems. Deshalb schrieb auch Barbara Coudenhove-Kalergi vor etwa einem Monat in einem Kommentar in der Zeitung "der Standard" völlig zutreffend: "Antiislamismus ist der neue Antisemitismus." (Der Artikel ist hier veröffentlicht.)

Wer ein konkretes Beispiel mit einem klaren Nachweis der Parallelen haben möchte, der lese sich meinen Blogeintrag "Fasching und Flüchtlingskrise" durch (der Link folgt unten). Darin habe ich die erschreckenden Gemein­sam­keiten zwischen judenfeindlichen Faschingsumzügen der 1930er-Jahre und flüchtlings- bzw. insbesondere moslem-feindlichen Umzügen im Öster­reich (und im Deutschland) des Jahres 2016 ausführlich dargelegt.

Verfehlt und irreführend ist Arik Brauers Ursachenforschung betreffend die FPÖ-Erfolge, weil er an der falschen Stelle ansetzt: Nicht die "muslimische Ein­wanderung" ist "schuld" am Aufstieg der FPÖ, sondern es ist die Ein­stel­­lung weiter Teile der (einheimischen) Bevölkerung (gegenüber Fremden, Flücht­lingen, Moslems im Besonderen): Es sind die Xenophobie und der Rassismus der Men­schen – oder wie man das ja bei uns im Sinne des Orwell'schen Newspeak korrekt formulieren muss: es sind "die Ängste" der Menschen (vor der Zu­wan­derung etc.), die zum Erfolg rechter Politik und rechter Parteien führen.

Gerade in diesem Zusammenhang muss der Vergleich mit der Zwi­schen­kriegszeit ebenfalls erlaubt sein: Die Juden waren zwar bereits im Land (es ging also nicht um Zuwanderung, sondern um als "fremd" empfundene Einheimische). Aber war denn etwa die "Angst" vieler Deutscher vor (bzw. die Abneigung gegenüber) Juden – kurz gesagt: der Antisemitismus – nicht auch wesentliches Element für die Wahlerfolge der NSDAP (die bekanntlich auf demokratischem Wege an die Macht gekommen ist)?

Wenn man beispielsweise sagen würde, das (damalige) "Judentum in Deutschland" (oder das "Wirken der Juden in Deutschland" oder "der Einfluss der Juden") sei "schuld daran" gewesen, dass es zum Aufstieg des Nationalsozialismus gekommen sei, würde eine solche Behauptung umge­hend als antisemitisch verurteilt werden – und zwar völlig zu Recht. An Arik Brauers (und natürlich nicht nur an seine) Bewertung der "muslimischen Einwanderung" ist dann aber ein analoger Maßstab anzuwenden: Ist jene Personengruppe "schuld", die durch ihre bloße Präsenz (Juden) bzw. ihr bloßes Erscheinen (Moslems/Flüchtlinge) den "Unmut" und das "Unbehagen" (bzw. die vorgeblichen "Ängste"), ja die Aggressionen und den Hass der Mehrheits­bevölke­rung auslöst? Oder sind es nicht vielmehr eben diese irrationalen Emotionen einer Masse?

Anders gesagt:
Niemand war (oder ist) gezwungen, zum Antisemiten zu werden (und niemand war im Deutschland zu Beginn der 1930er-Jahre gezwungen, braun zu wählen), bloß weil Juden in "seinem" Land leb(t)en. Und niemand ist gezwungen, xenophob und/oder islamophob zu werden (und in weiterer Folge blau, schwarz-türkis oder sonstwie rechts zu wählen), bloß weil Moslems in sein Land kommen. – So einfach ist die Sache!

Zurück zu Salomons Leitartikel. Das zuvor erwähnte Brauer-Zitat ist wieder einmal Anlass für besorgte Worte Salomons zum Thema Zuwanderung ("Anteil an Bürgern mit Migrationshintergrund (ist) [in Wien] mittlerweile extrem hoch" usw.). Ja, ja. Aber eigentlich sollte es in dem Leitartikel um etwas ganz Anderes gehen (um die Gedenkreden zum Kriegsende, die "Schatten der NS-Vergangenheit" [wie sogar der Zwischentitel des Leit­artikels lautet] usw.). Wieso "verirrt" sich in einen solchen Artikel dann zum Beispiel der sehnsuchtsvolle Wunsch seiner Verfasserin, wonach "zu hoffen" sei, "dass der künftige Wiener Bürgermeister einen neuen Kurs [in der Zuwanderungs­frage] fährt" ? Nun, das ist wieder die bekannte, perfide jour­na­lis­ti­sche Masche (wie man sie natürlich auch aus der Politik kennt): Platziere hartnäckig deine Botschaften, egal ob sie zum eigentlichen Thema passen (bzw. lenke das eigentliche Thema in die Richtung, die dir für das Platzieren deiner Botschaften nützlich ist).* Hier hat ihr Brauer natür­lich ohne­dies mit seiner "wichtigen" Äußerung zur muslimischen Ein­wan­derung das willkommene Stichwort geliefert. (Und dafür gibt es ja dann im Ge­gen­zug auch den Dank der Verfasserin.) 
*) (Von Salomon haben wir das erst neulich bei ihrem Leitartikel zum 1. Mai besonders unverfroren erlebt. Ich habe das in diesem Blog-Eintrag näher dargelegt und kritisiert: Zum 1. Mai.)

Gegen Ende des Leitartikels behauptet Salomon (wie schon oben zitiert):

"Und man packt viel zu schnell die Faschismuskeule aus. Das ist nicht mutig, dafür gibt es immer Applaus."

Da ist es mir doch ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass es gerade jemandem wie Frau Dr. Salomon nicht gut ansteht, sich über angebliche Faschismuskeulen zu beklagen.

Als Faschistin würde ich sie zwar nicht bezeichnen (schon deshalb, um mir keine rechtlichen Scherereien einzuhandeln). Sie ignoriert aber naiverweise (?) Parallelen zwischen dem "echten" Faschismus (von damals) und faschis­toiden Tendenzen von heute. Besonders deutlich wurde das in Zusam­men­hang mit dem schon oben erwähnten Thema der Faschingsumzüge. Der seinerzeit von mir verfasste Blog-Artikel war (insbesondere) auch eine Abrechnung mit Salomons diesbezüglicher Blauäugigkeit, Ahnungslosigkeit, Gleichgültigkeit, Ignoranz (oder was auch immer es gewesen sein mag). (siehe den Eintrag Fasching und Flüchtlingskrise)

Und an das Ende stellte ich damals eine Äußerung Salomons, die in ganz ähnlicher Form in einem berüchtigten Propagandafilm der Nazis gefallen war. Nein, nein. Dass sie Faschistin wäre, lässt sich damit nicht belegen. Aber Köhlmeiers zutreffende Worte aus seiner Rede fallen mir auch in diesem Zusammenhang ein:

"Zum großen Bösen kamen die Menschen nie mit einem Schritt. Nie. Sondern mit vielen kleinen, von denen jeder zu klein schien für eine große Empörung."

(Vielleicht sind das – leider – die besten und "schönsten" Worte seiner Rede.)

Abschließend nochmals zurück zu Arik Brauer. In dem erwähnten Kurier-Interview vom 6. Mai 2018 meinte er beispielsweise:

"Was die FPÖ betrifft: Es gibt sie. Sie hat einen Teil der Bevölkerung hinter sich, die keine Massen-Nazis sind. Deswegen werden wir mit ihr leben müssen. Ob uns das gefällt oder nicht, ist unerheblich. Dass die FPÖ-Minister nicht nach Mauthausen [Anm.: zur Gedenkfeier aus Anlass der Befreiung des Konzentrationslagers] eingeladen sind, ist ein großer Fehler."

Das alles kann man so sehen – oder auch ganz anders. Gleiches gilt für diverse andere problematische Stellen in beiden Interviews.

Dass Brauer nun für die Vereinigte Rechte des Landes eine Art Held geworden ist – nicht nur, aber schon allein dieser Umstand spricht jedenfalls stark für eine andere Sichtweise als seine. Nämlich eine weitaus weniger mild-pragmatisch-nonchalante und statt dessen eine weitaus kritischere Sichtweise – sowohl gegenüber politischen Parteien als auch gegenüber der hiesigen soge­nann­ten Mehr­heits­­gesell­schaft (einschließlich ihrer Ge­schich­te der letzten 80, 90 Jahre).

Wenn etwa Jeannée über Arik Brauers Händedruck mit Strache befindet, dies sei die "Geste des Jahres wider den Hass, wider Gräben, wider Un­ver­söhnlichkeit, wider Dummheit", dann ist klar, wie der Krone-Autor im Umkehr­schluss insbesondere über jene Juden denkt, die sehr wohl auf der Kon­takt­sperre zur FPÖ beharren. Dass Jeannée dies jetzt auch ganz unver­blümt in die Zeitung schreiben konnte (und damit einen unter­schwel­li­gen Anti­semi­tismus gegen – aus seiner Sicht – unversöhnliche, hassende und dumme Juden forciert), ist das fragwürdige Verdienst Arik Brauers.