Montag, 25. März 2019

Hugo Portisch und die Wahrheit

Dr. Hugo Portisch ist so eine Art Säulenheiliger in Österreich. Der Mann war Journalist (unter anderem Chefredakteur beim "Kurier"), Reporter, Kom­men­tator und Sendungs­gestalter beim ORF sowie Verfasser diverser Bücher. Ist ja alles gut und schön – aber was den schon seit Jahren existierenden Kultstatus seiner Person rechtfertigt, war mir nie einsichtig.

Im Kurier vom 24. März 2019 wurde ihm - wieder einmal – viel Platz in Form eines Interviews eingeräumt. Und da kam Bemerkenswertes zur Sprache:

Zwei Mal betont Portisch die Bedeutung der Wahrheit im Journa­lis­mus. Ziemlich am Beginn des Interviews erklärt er:

"Ich war immer der Meinung, dass Fake News von der Politik gemacht werden. Jour­na­listen müssen diese aufdecken und kritisieren. Donald Trump ist es gelungen, die Jour­nalisten zu verteufeln – das ist auf Europa über­gesprungen. Unsere stärkste Waffe ist die Wahrheit."

Und gegen Ende gibt Portisch den Medien den Ratschlag:

"Immer ganz scharf bei der Wahrheit bleiben. Keinen Opportunismus zulassen."

Von wegen. Der Mann entlarvt seine großen Worte dankenswerterweise gleich selbst und noch dazu im selben Interview als eine gewaltige Heuche­lei. Er schildert nämlich freimütig folgenden Vorfall:

"Der Julius Raab [österreichischer Bundeskanzler von 1953 bis 1961] hat nie ein Inter­view gegeben. Ich war auf Amerika-Reise mit ihm (als Mitarbei­ter des öster­reichi­schen Informa­tionsdienstes in New York, Anm. Red.). US-Journalisten wollten ein Interview mit dem Kanzler machen, und er hat uns gefragt: "Was soll ich da sagen?" Die New York Times hat sich um ein Interview bei ihm angestellt. Ich weiß nicht, was wir getan hätten, um als Österreicher einmal in die NewYork Times zu kommen."

Nun, Portisch wusste sehr genau, was zu tun war, um das Ziel zu erreichen: die Medien und in weiterer Folge die Öffentlichkeit in unverschämtester Weise belügen. Er setzt nämlich im Kurier-Interview wie folgt fort:

"Ja, aber da muss ich Ihnen jetzt eine Sünde gestehen! Der Franz Karasek war damals Sekretär vom Raab und hat mit mir gelitten. Da habe ich zu ihm gesagt: »Weißt was, wir schreiben das. Was werden die US-Journalisten den Kanzler fragen, und was würde der antworten? Das geben wir ihnen dann.«"

Raab selbst habe von dem Schwindel nichts mitbekommen:

"Nein, er konnte ja nicht Englisch. Er hat es nicht gemerkt. Das war im November 1954, knapp vor dem Staatsvertrag. Da waren auch heikle Fragen darunter. […] Aber es war natürlich herrlich: Österreich auf Seite eins der New York Times, ein Riesenerfolg."

Portisch war damals 27 Jahre alt. Er hat also schon in jungen Jahren tatkräftig unter Beweis gestellt, wie jedenfalls eine bestimmte Art von Journalismus funktioniert: lügen, dass sich die Balken biegen – Haupt­sache, man setzt seine Ziele durch. 

Der (dem Generalkonsulat zugeordnete) ominöse "österreichische Infor­ma­tionsdienst in New York", in dem sich Portisch zu dieser Zeit betätigte, war offen­bar eine Art Propaganda­abteilung Österreichs in den USA. Portisch war damals schon seit mehreren Jahren im Zeitungswesen tätig, und gleich­falls 1954 kam er zum "Kurier", dessen Chefredakteur er vier Jahre später wurde. Was soll uns veranlassen zu glauben, dass jemand, der (noch dazu als Repräsentant einer offiziellen Stelle) skrupellos ein Interview von A bis Z erfun­den hat, in seiner früheren oder weiteren Laufbahn – sei es bei den Zeitun­gen, sei es im ORF – nicht ebenso zu unlauteren Mitteln griff, bei­spiels­weise um seine Anlie­gen bei den Medienkonsumenten zu platzie­ren, oder einfach, um spektaku­läre Schlag­zei­len zu erzeugen? So jemand hat absolut jede Vertrauens- und Glaubwürdigkeit verspielt.

Wie selbstgefällig, dass ausgerechnet jemand mit dieser Vergangenheit dreist behaup­tet, "dass Fake News von der Politik gemacht werden". Das zwar sicherlich auch; aber der Journalismus steht dem um nichts nach – mal als Handlanger der Politik, mal als deren Gegner.

Was die etwaige Gegnerschaft betrifft, braucht man sich nur eine andere Bemerkung Portischs im jüngsten Kurier-Interview anzusehen. Auf die Frage, ob es heute einen Kampf der Medien gebe, den es sich zu führen lohne, meinte er:

"Ja, gegen Donald Trump."

Das ist wenig originell und durch und durch logisch: Wer sich – wie Trump – mit den Medien anlegt, der wird dafür von diesen bekämpft. (Wohlgemerkt dafür. Allenfalls berechtigte Kritik an Trumps Person oder Politik ist lediglich Mittel zum Zweck dieses Kampfes.) Wetten, dass dem Journa­lis­mus auch dabei alle Methoden recht sind? Insofern war ich von Anfang an skeptisch, als die Medien anfingen, in trauter Eintracht über Trump herzu­ziehen.

Im Übrigen ist Portischs Bild der USA insgesamt ziemlich fragwürdig. Dass er stramm antikommunistisch war, und dass er meint, die "Die Amerikaner haben die Freiheit für uns verteidigt", sei ihm unbenommen. Reichlich naiv wird es allerdings, wenn er verklärt feststellt:

"Wir waren damals überwältigt von der Freundlichkeit der Amerikaner. Das war eine zivilisierte Nation. Heute ist sie zu einem guten Teil verhetzt."

"Lernen sie US-amerikanische Geschichte", muss man da dem sogenannten "Ge­schichts­lehrer der Nation" Portisch entgegenhalten. Er möge doch mal die USA-kriti­schen Bücher seines (leider bereits verstorbenen) Journalisten-Kollegen Rolf Winter lesen ("Gottes eigenes Land?", "Little America", "Ami Go Home" u.a.); oder Karlheinz Deschners "Der Moloch"; oder etwas von Noam Chomsky.

Das Interview im "Kurier" vom 24. März ist überdies Beispiel für eine gera­de­zu groteske journalistische Selbstbeweihräucherung. Die Inter­viewe­rin (auf sie werde ich gleich noch zu sprechen kommen) fragt Portisch am Schluss:

"Was sagen Sie zu unserem heurigen Jubiläum: 65 Jahre KURIER?"

Na, was wird er schon antworten (können), auf so eine dumme Sugges­tiv­frage:

"Der damalige Chefredakteur Hans Dichand hat das richtig eingeschätzt: »Eines kann ich dir sagen: Der KURIER ist unsinkbar.« Und das finde ich auch. Er hat das Leben vieler Menschen mitgeprägt und hat auch jetzt seinen Platz sehr gut gefunden."

Eigenlob stinkt, meine Dame und mein Herr. Und es klingt in diesem Fall noch dazu furchtbar banal. Um solchen Fettnäpfchen aus dem Weg zu gehen, gibt es nur einen praktikablen Weg: Man unterlässt solche Fragen und erspart sich selbst und vor allem auch dem Interviewten eine derartige Peinlichkeit.

Es ist wohl schon zu erahnen, wer Portisch interviewt hat: die nunmehrige Chefredak­teurin des Kurier, Dr. Martina Salomon. Da musste ich schmun­zeln, als ich las, wie Portisch in Zusammenhang mit der journalistischen Wahrheit groß­spurig erklärt:

"Es darf natürlich keine eingebildete Wahrheit sein. Also so lange recherchieren, bis man hundertprozentig überzeugt ist. Der Leser merkt schnell, ob alles stimmt, nichts korrigiert werden muss."

Ja, einen solchen Korrekturbedarf gibt es häufig – gerade dann, wenn Frau Dr. Salo­mon ihre "Wahrheit" verkündet. ;-) Hier im Blog habe ich das bereits mit zahlreichen Beispielen belegt. Und weitere hätte ich schon wieder in der Schublade …

Salomon hat mir diesmal ausnahmsweise aber auch einmal große Freude bereitet. Im Interview mit Portisch sagte sie nämlich:

"Die Menschen glauben den Medien aber immer weniger, die negative Energie in den Rückmeldungen, die Journalisten bekommen, ist oft sehr hoch."

Ich gebe zu: Das erfüllt mich mit Genugtuung und Schadenfreude. ;-)

Wie meinte Hugo Portisch über die von der Politik gemachten "Fake News"? "Journa­listen müssen diese aufdecken und kritisieren." Und die Medien­konsument/innen tun ihrerseits gut daran, in gleicher Weise die Schand­taten des Journalismus aufzuspüren und an den Pranger zu stellen. Salo­mon, als Vertreterin dieser Zunft, mag darin ruhig eine "negative Ener­gie" sehen. ;-)